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Was spricht für Anlagen außerhalb der USA?

14, Oktober 2024
8 min read
Inigo Fraser Jenkins
Inigo Fraser Jenkins Investment Strategist

In einheitlicher Währung gerechnet hat der US-Aktienmarkt in den vergangenen zehn Jahren seine Pendants in den anderen Industrieländern um mehr als 215 % übertroffen und dürfte auch 2024 die Nase vorn haben. Angesichts dieser beeindruckenden Erfolgsbilanz könnten sich Anleger durchaus fragen, warum man eigentlich nicht ausschließlich in US-Aktien investieren sollte. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass dieser enorme Vorsprung auch in Zukunft gehalten werden kann. Könnte jetzt also ein guter Zeitpunkt sein, um Portfolios weg von den USA neu auszurichten?

Stand: 31. August 2024 Quelle: FactSet und AB

Highlights

US-Aktien haben Nicht-US-Aktien in den vergangenen zehn Jahren weit hinter sich gelassen, sind mittlerweile aber sehr hoch bewertet.
Zu den strukturellen Vorteilen der USA gehören eine höhere Rentabilität sowie eine günstige Positionierung in Bezug auf langfristige Faktoren.
Die Überrendite außerhalb der USA dürfte im historischen Vergleich geringer ausfallen, durch Anlagen in anderen Regionen lässt sich das Portfolio jedoch besser diversifizieren.

Was spricht bei der strategischen Vermögensallokation für US-Aktien und was für Nicht-US-Aktien?

Hohe Bewertungskennzahlen sind das Hauptargument gegen eine weitere überdurchschnittliche Wertentwicklung in den USA, da die aktuelle Bewertung die auf lange Sicht (z. B. in den nächsten zehn Jahren) erwarteten Erträge maßgeblich mitbestimmt.

Gegenwärtig weist der US-Aktienmarkt eine Prämie von 51% gegenüber dem Rest der Welt auf – nahezu ein Allzeithoch. Auch im Vergleich zum eigenen historischen Durchschnitt liegt der Aufschlag bei mehr als 29% (siehe Abbildung).

Höhere absolute Bewertungskennzahlen könnten allerdings ihre Berechtigung haben, wenn Anleger (genau wie wir) davon ausgehen, dass die realen Renditen weiter niedrig bleiben dürften. Auch weist der US-Aktienmarkt unserer Einschätzung nach strukturelle Vorteile auf, die einen Bewertungsaufschlag rechtfertigen und die zukünftige Wertentwicklung bei Aktien stützen dürften.

US-Aktienbewertungen nahe Allzeithoch

Historische Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.

Stand: 31. August 2024

Quelle: FactSet und AB

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Der US-Aktienmarkt weist einen Aufschlag von 51% gegenüber dem Rest der Welt auf – nahezu ein Allzeithoch.

Stand: 31. August 2024 Quelle: FactSet und AB

USA: Höhere Rentabilität und jüngere Bevölkerung

US-Unternehmen sind mit einer Eigenkapitalrendite von 16% weiterhin rentabler als ihre EAFE-Pendants mit 10,3%. Kurzfristig ist das Gewinnwachstum ein wesentlich wichtigerer Treiber der Aktienerträge als die Rückkehr zum Mittelwert (Mean Reversion) bei der Bewertung, weshalb eine Prämie gerechtfertigt sein kann.

Außerdem sind die USA möglicherweise besser positioniert, um langfristige Schwierigkeiten zu bewältigen, die das Wachstum bremsen könnten, darunter zwei der größten wirtschaftlichen und marktbezogenen Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts: der demografische Wandel und die Deglobalisierung.

Prognosen der Vereinten Nationen (UN) zufolge wird die Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den nächsten zehn Jahren um 0,2% pro Jahr schrumpfen. Bei gleichbleibender Produktivität bedeutet eine geringere Anzahl an Arbeitskräften ein langsameres Wirtschaftswachstum. Arbeitskräftemangel kann dazu führen, dass Arbeitnehmer höhere Löhne fordern, was die Gewinnspannen der Unternehmen schmälern könnte

In den USA ist die Bevölkerung jünger als in anderen Industrieländern und in China. Obwohl sich dieser Vorteil im historischen Vergleich abschwächen wird, gehen die Vereinten Nationen davon aus, dass die US-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auch in den nächsten Jahren noch um 0,3% pro Jahr wachsen wird (siehe Abbildung).

US-Unternehmen weiterhin rentabler

Eigenkapitalrendite

Historische Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.

Stand: 31. August 2024

Quelle: FactSet und AB

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In den USA ist die Bevölkerung deutlich jünger als in anderen Industrieländern und in China, was einen demografischen Vorteil bedeuten dürfte.

Deglobalisierung, Energieunabhängigkeit und der KI-Effek

Auch die Deglobalisierung könnte den USA zugutekommen. Im Rahmen dieses Prozesses müssen die Unternehmen ihre Lieferketten überdenken und einen erheblichen Teil der Produktionskapazitäten wieder in das Inland verlagern. Zudem werden bestehende Handelsbeziehungen neu geordnet. Auch hier sehen wir Vorteile auf Seiten der USA, deren großer Binnenmarkt einen Exportrückgang auffangen kann. Die Nähe der USA zu Mexiko mit seiner etablierten und kostengünstigen Produktionsbasis dürfte ebenfalls förderlich sein.

Hinzu kommt, dass die USA energieautark und reich an landwirtschaftlichen Flächen sowie anderen natürlichen Ressourcen sind. Andere große Industrienationen wie Deutschland, Japan und Südkorea sind viel stärker auf Exporte angewiesen, um das Wachstum anzukurbeln, und gleichzeitig in weitaus höherem Maße vom Import von Energie und anderen Rohstoffen abhängig.

Schließlich könnten auch die Durchbrüche bei der KI-Technologie, die wohl die wichtigste Entwicklung im Jahr 2023 darstellen, zum Tragen kommen. Auch wenn es nahezu unmöglich ist, vorherzusagen, welchen Einfluss die KI letztendlich haben wird, so spricht doch einiges dafür, dass die USA mit ihrem beeindruckenden Technologiesektor vermutlich am besten positioniert sind, um daraus Nutzen zu ziehen. Jegliche durch KI erzielte Produktivitätssteigerung würde sich direkt in einem höheren Wirtschaftswachstum und einer höheren Rentabilität der US-Unternehmen niederschlagen. Darüber hinaus könnte eine schnellere und umfassendere Automatisierung künftig dazu beitragen, den Arbeitskräftemangel auszugleichen, der sich aus dem demografischen Wandel und der Fragmentierung der globalen Arbeitsmärkte ergibt.

Synthese

In langfristigen Marktprognosen wird meist davon ausgegangen, dass die Märkte außerhalb der USA ihre US-Pendants übertreffen. Dahinter steht die Logik, dass sie ein höheres Risiko aufweisen, sodass Anleger im Gegenzug einen höheren Ertrag verlangen. Diese Argumentation greift allerdings nur dann, wenn ein Gleichgewicht herrscht. Daher ist es fraglich, inwieweit sie heute noch als Grundlage für die Vermögensallokation herangezogen werden sollte, da die Anleger unseres Erachtens mit einem neuen Regime konfrontiert sind.

Stellt man eine Prognose der Eigenkapitalrendite auf der Grundlage fundamentaler Eckdaten auf, so zeigt sich, dass die relativen Vorteile, die sich für die USA aus einem höheren Wachstum ergeben, geringer ausfallen als der Einfluss einer angenommenen Rückkehr zum Mittelwert (Mean Reversion) bei den Bewertungskennzahlen. Und das, obwohl in den vergangenen Jahrzehnten das Gewinnwachstum und nicht die Bewertung die relative Wertentwicklung in den einzelnen Regionen bestimmt hat. Das Problem ist, dass Zeitpunkt und Ausmaß einer möglichen Mean Reversion äußerst ungewiss sind. Mean Reversion ist zwar ein wichtiges Instrument, aber sich allein darauf zu verlassen, könnte bedeuten, jahrelang falsch zu liegen.

Die USA profitieren von strukturellen Vorteilen, darunter eine günstigere Demografie, eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber einer Deglobalisierung und eine Sektorzusammensetzung, die es ermöglicht, potenzielle Produktivitätssteigerungen durch KI besser zu nutzen. Da diese Vorteile einen Bewertungsaufschlag rechtfertigen, gehen wir nicht davon aus, dass die relative Bewertung von US- gegenüber globalen Aktien wieder ganz auf ihren historischen Durchschnittswert sinken wird.

Hier geht es im Grunde darum, verschiedene Arten von Risiken auszugleichen. Für die US-Märkte besteht ein höheres Mean-Reversion-Risiko, für die Nicht-US-Märkte hingegen ein höheres Wachstumsrisiko. Alles in allem sind wir der Auffassung, dass Anleger besser auf andere riskante Ertragsquellen setzen sollten, anstatt ein umfangreiches Engagement in den USA einzugehen und sie gegenüber anderen Märkten überzugewichten. Wir bevorzugen es, Risiken anderenorts einzugehen.

Unser Fokus liegt hier hauptsächlich auf dem Ertrag, allerdings dürfte es für Anleger zunehmend wichtig werden, Diversifizierungsmöglichkeiten zu finden, da Staatsanleihen unserer Meinung nach nicht mehr so wirksam zur Diversifizierung beitragen werden wie in den letzten Jahrzehnten. Die Aufteilung auf verschiedene Regionen innerhalb von Anlageklassen – einschließlich Aktien – ist beim Portfolioaufbau daher von größerer Bedeutung. Die Deglobalisierung bringt Anlegern zwar in erster Linie Nachteile, ein kleiner Vorteil könnte aber darin bestehen, dass eine effektivere Diversifizierung über Regionen hinweg möglich wird. Durch die seit Jahrzehnten steigende durchschnittliche Korrelation zwischen den Regionen verringerte sich die Effektivität dieser Technik. Die Abkehr von der Globalisierung könnte den Trend allerdings umkehren. Dies könnte den Nutzen einer Diversifizierung über verschiedene Regionen hinweg vergrößern.

Zusammenfassung

US-Aktien weisen zwar hohe Bewertungen auf, profitieren aber auch von strukturellen Vorteilen wie einer günstigeren Demografie und einem besseren Sektorprofil, wenn es darum geht, Innovationen im Bereich der KI zu nutzen.

Daher erwarten wir, dass die Überrendite von Nicht-US-Aktien gegenüber US-Aktien geringer ausfallen wird als in der Vergangenheit, was für ein fortgesetztes Engagement in US-Aktien spricht.

Im Hinblick auf eine bessere Risikostreuung gewinnt die regionale Diversifizierung in Aktienportfolios an Bedeutung.

Inigo Fraser Jenkins
Inigo Fraser Jenkins Investment Strategist

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In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.