Können europäische Anleihen den Sturm überstehen?

09. Dezember 2022
6 min read

Europa leidet unter Krieg, teuren Energiekosten, Rekordinflation und verlangsamtem Wachstum. Da überrascht es nicht, dass europäische Unternehmensanleihen unbeliebt sind. Unserer Meinung nach spiegeln die Anleihenkurse jedoch bereits eine Menge schlechter Nachrichten wider. Ist die Zeit zum Kaufen gekommen?

Solide Fundamentaldaten

Europäische Unternehmen sind im Grunde genommen in guter finanzieller Verfassung. Sie haben sich von der COVID-Krise erholt, ihren Verschuldungsgrad reduziert und ihre Margen wieder verbessert (Abbildung unten). Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen also sowohl ihre Bilanzen als auch ihre Preisgestaltungsmöglichkeiten robust zu sein.

Euro-Anleihen-Kennzahlen bleiben auf gesundem Niveau
EBITDA-Margen und Nettoverschuldung entsprechen dem langfristigen Durchschnitt
Euro-Anleihen-Kennzahlen bleiben auf gesundem Niveau

Aktuelle und historische Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Das EBITDA (nachlaufende 12 Monate) stellt den Gewinn der letzten zwölf Monate vor Bereinigung um Zinsen, Steuern und Abschreibungen dar.
Stand: 30. Juni 2022
Quelle: J.P. Morgan und AllianceBernstein (AB)

Das Verhältnis von Barmitteln zu Schulden ist derzeit hoch – ein weiterer Indikator dafür, dass die europäischen Unternehmen auf eine weitere schwierige Zeit vorbereitet sind. Sollte Europas Wirtschaft in eine Rezession geraten, was wahrscheinlich ist, erwarten wir natürlich eine Abschwächung dieser Kennzahlen, aber der Ausgangspunkt ist sicherlich gut. Zudem ist die Emission von Euro-Anleihen stark zurückgegangen, sodass sich Angebot und Nachfrage die Waage halten.

Bewertungen sind attraktiv

Die Euro-Zinsen werden steigen, und die Risikoprämien (Spreads) könnten sich bis 2023 weiter ausweiten. Wir glauben jedoch nicht, dass Europa erneut vor einer Situation wie bei der globalen Finanzkrise steht. Stattdessen erwarten wir eine leichte Rezession mit einem Zinsplateau gegen Jahresende. Für Aktienanleger mag dieses Szenario eine Herausforderung darstellen, doch für Anleihenbesitzer, die sich eher auf die Kapitalerträge als auf das Gewinnwachstum konzentrieren, ist es unserer Meinung nach eher günstig. 

Die Märkte – und auch wir – gehen davon aus, dass der endgültige Zins der Europäischen Zentralbank (EZB) bei etwa 3 % liegen wird. Vor diesem Hintergrund relativ stabiler Zinsen bieten Euro-Investment-Grade- und Hochzinsanleihen nicht nur attraktive Spreads, sondern auch absolute Renditen von über 3 % respektive 7 %. Wir glauben, dass Unternehmensanleihen in diesem Umfeld eine gute Wertentwicklung aufweisen könnten. 

Potenzial für Euro-Anleger

Auf währungsgesicherter Basis sind diese Renditen für Euro-Anleger deutlich höher als für vergleichbare US-Anleihen. Und obwohl der genaue Wendepunkt schwer vorherzusagen ist, bieten sie einen erheblichen Puffer gegen mögliche Zinserhöhungen und Spread-Ausweitungen (Abbildung links). In der Vergangenheit haben sich Kredite in Krisenzeiten schnell wieder erholt, und Anleger, die sich bei hohen Renditen mit Anleihen eindeckten, profitierten davon. Im Gegensatz dazu riskierten diejenigen, die an der Seitenlinie blieben und versuchten, ihren Einstiegszeitpunkt abzupassen, die besten Wertentwicklungen zu verpassen (Abbildung rechts).

Hohe Anfangsrenditen eröffnen Chancen
Erwartete Erträge im Kontext betrachten
Hohe Anfangsrenditen eröffnen Chancen

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Die Wertentwicklung basiert auf den monatlichen Erträgen vom 31. Dezember 1989 bis zum 31. Oktober 2022. Euro-IG ist definiert als der Bloomberg Euro Aggregate Corporate Index. Euro-Hochzins ist definiert als der Bloomberg Pan-European High Yield (Euro) Index. Indizes werden nicht verwaltet und ein Anleger kann nicht direkt in einen Index investieren. Die Szenarioanalyse auf der linken Seite bewertet die potenziellen Auswirkungen sofortiger Änderungen der Spreads für Euro-Hochzinsanleihen und einer parallelen Verschiebung der Renditekurven von Euro-Schatzanleihen auf die Indizes Bloomberg Euro Aggregate Corporate und Bloomberg Pan-European High Yield (Euro). Die erwarteten Erträge beinhalten die Auswirkungen von Carry* über die folgenden 12 Monate.
* Carry ist Spread zuzüglich Roll-Down-Effekt. Der Roll-Down-Effekt ist der erwartete Ertrag einer Anleihe, wenn sich diese entlang der (als unverändert angenommenen) Zinskurve auf die Fälligkeit zubewegt.
Stand: 31. Oktober 2022
Quelle: AllianceBernstein (AB)

Die Anfangsrendite ist oft ein guter Indikator für künftige Erträge

Anleger in Euro-Unternehmensanleihen sehen einem potenziell volatilen Jahr 2023 entgegen und werden wahrscheinlich nicht vor Ende nächsten Jahres niedrigere Zinsen oder anhaltend engere Spreads erleben. Diese Anleihen erwirtschaften jedoch bereits attraktive Erträge – und in der Regel halten solche Phasen hoher Renditeniveaus nicht sehr lange an.

Unserer Ansicht nach könnten höhere Renditen heute zu attraktiven risikobereinigten Erträgen sowohl bei Investment-Grade- als auch bei Hochzinsanleihen über einen Zeithorizont von fünf Jahren führen. Das liegt daran, dass in der Vergangenheit die Anfangsrenditen mit den zukünftigen Erträgen über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren korreliert haben. Natürlich könnten sich die Marktbedingungen verschlechtern, und die Renditen könnten von hier aus steigen und einen besseren Einstiegspunkt bieten. Die Anleger müssen jedoch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios gegen das Risiko abwägen, Erträge zu verpassen, die auf Jahresbasis mit den aktuellen Renditen vergleichbar sind.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.