Amazon.com hat in den USA – und weltweit – die Geschäfte der Einzelhändler und Produzenten gehörig durcheinandergewirbelt. Die jüngste Akquisition der führenden Biomarktkette Whole Foods Market ist ein weiteres Beispiel dafür. Doch trotz Amazons dominierender Marktposition im US-Einzelhandel können Anleger auch weiterhin widerstandsfähige Unternehmen in einem breit aufgestellten Sektor finden.

Die Umsätze des amerikanischen Einzelhandels ohne Autos machen ein Fünftel der US-Wirtschaft aus. Innerhalb von nur zehn Jahren hat sich der Marktanteil von Amazon vervielfacht.

Margen unter Druck

Doch Umsatzwachstum ist nicht alles. Ein Blick auf die Profitabilität zeigt, dass Amazons Druck auf die Gewinnmargen dramatische Veränderungen für die gesamte Branche nach sich zieht. Amazon begnügt sich mit niedrigen Margen, bietet dabei jedoch ein Einkaufserlebnis an, das viele traditionelle Ladengeschäfte übertrifft. Im Jahr 2016 belief sich Amazons Betriebsmarge in den USA auf nur 3 %, verglichen mit 7 % bei der grossen Kette Target. Wir glauben, dass dieser Margendruck anhalten wird.

Auch das produzierende Gewerbe bekommt Amazons Marktmacht zu spüren. Das ohnehin immer recht angespannte Verhältnis zum Einzelhandel verschlechtert sich zusehends weiter. So senkte etwa Campbell Soup jüngst seine Umsatzerwartungen, weil der Suppenhersteller aufgrund seiner Weigerung, die Preise zu senken, von einem grossen Konkurrenten von Amazon aus dem Sortiment gestrichen werden könnte.

Unternehmen wie Campbell Soup unterliegen einem Margendruck gleich aus zwei Richtungen. Erstens greifen die Verbraucher in den USA zunehmend auf Eigenmarken des Handels zurück. Zweitens lassen die niedrigeren Margen der Händler die Profitabilität der Hersteller als überhöht erscheinen (Abbildung). Mit einer Marge von 24,4 % im Jahr 2016 für das US-Geschäft bleibt Campbell Soup selbst bei geringem Wachstum lukrativ. Und das ist kein Einzelfall: Colgate-Palmolive weist sogar eine Marge von 32,4 % aus. Amazon-Chef Jeff Bezos hat diesem Zustand den Kampf angesagt: „Ihre Marge ist meine Chance“, sagte er unlängst über die Platzhirsche im produzierenden Gewerbe.

Kassandrarufe des Markts sind überzogen

Angesichts dieser Entwicklung überrascht es nicht, dass der Markt Einzelhandelsaktien abgestraft hat (Abbildung). Wir glauben jedoch, dass das jüngste Wehklagen rund um den Amazon-Whole-Foods-Deal in einigen Aspekten überzogen ist. So prophezeiten viele Schlagzeilen erhebliche Preissenkungen bei Whole Foods. In Wirklichkeit passierte aber nur sehr wenig. Laut einiger Umfragen sank das Gesamtpreisniveau nur um rund 1 %.

Schutzfaktoren: Marke, Schnelligkeit, Erfahrung

Negative Schlagzeilen können Anleger von attraktiven Chancen in der Branche ablenken. Wir denken, dass es wichtig ist, auf fünf Schlüsselfaktoren zu achten, welche die Unternehmen vor den Turbulenzen schützen können.

1. Bekannte Marken bilden ein Schutzschild für ein Unternehmen, solange es die Marke pflegt und die Kunden gut behandelt.

2. Schnelligkeit ist immer noch ein Vorteil für „echte“ Ladengeschäfte, wenn Kunden ein Produkt sofort benötigen. Amazon versucht sich zwar an der Zustellung am Bestelltag, aber in den USA ist das aufgrund der schieren Grösse des Landes zurzeit noch nicht möglich.

3. Preisniveaus sind wichtig. Unternehmen, die ihren Kunden signifikante Einsparungen bieten können, schaffen mehr Loyalität. Ein Abschlag von 10 % auf ein 3-Dollar-Produkt ist nicht so attraktiv wie auf ein 100-Dollar-Produkt.

4. Produkte und Dienstleistungen, die nicht ohne Weiteres online verkauft werden können, sollten dem Druck standhalten können. So erscheinen uns Unternehmen im Lebensmittel- und Gastronomiebereich, wie der Schokoladenhersteller Hershey oder die Kaffeehauskette Starbucks, besser gerüstet als Bekleidungsgeschäfte, deren Produkte leicht versendet werden können.

5. Das Einkaufserlebnis im Laden stellt einen Wert dar, insbesondere wenn es mit einem modernen und attraktiven Handelskonzept kombiniert wird. Damit kann man Kunden besser locken, als das Onlinehändler vermögen.

Es ist an der Zeit, dass Anleger sich kreative Gedanken über diese Branche machen. Die Profitabilität wird weiterhin ein schwieriges Thema bleiben. Aber wenn man den komplexen Handelssektor nach den richtigen Massstäben untersucht, finden sich Unternehmen, die den Stürmen trotzen, ja sogar aufblühen sollten, auch in der von Amazon geschaffenen neuen Weltordnung.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider.

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