Nachdem die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (englisch European Banking Authority, EBA) nun die Ergebnisse ihres Solvenztests für 2018 verkündet hat, sollten sich die Anlegersorgen hinsichtlich der systemischen Risiken im Bankensektor gemildert haben. Die meisten Banken schnitten gut ab. Dennoch ist es ratsam, selektiv bei Investments vorzugehen.

Wozu dienen die Tests?

Die EBA-Tests sollten die Stabilität des europäischen Bankensektors untersuchen. Wichtig ist dabei vor allem die Einschätzung der Widerstandsfähigkeit der Banken bei Marktturbulenzen. Zudem dienen die Tests der Beurteilung des gesamten systemischen Risikos im EU-Finanzsektor. In ihren Berichten liefert die EBA sehr detaillierte Informationen, insbesondere hinsichtlich der Engagements jeder Bank in Staatsanleihen nach Ländern sortiert. Insbesondere dort, wo die Renditen steigen, sind diese Informationen von Bedeutung (etwa in Italien).

Sind sie umfassend?

48 große EU-Banken wurden stressgetestet, was 70 % des gesamten Bankensektors entspricht. Die Testergebnisse zeigen die Auswirkungen von Turbulenzen (und Hebelung) auf Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET1) sowohl auf eher „vorübergehender“ als auch der strikteren „Fully Loaded“ (FL) regulatorischen Basis. Zugleich boten die Berichte in diesem Jahr mehr standardisierte Definitionen und mithin bessere Vergleichbarkeit über Ländergrenzen, wodurch die Glaubwürdigkeit erhöht wurde.

Sind sie hart?

Die Tests wurden auf Grundlage der Jahresendzahlen 2017 der Banken durchgeführt, mit Szenarien für Ende 2018 bis Ende 2020. Das Basisszenario stimmte mit den verschiedenen Prognosen überein, welche die EZB im Dezember 2017 veröffentlicht hatte. Ein Negativszenario verwendete schlechtere Grundannahmen (und war allgemein härter als der letzte Test von 2016). Abweichend vom EU-Basisszenario per 2020 beinhaltete das Negativszenario eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Schocks und verschiedenste Annahmen für langfristige Zinsen, Währungskurse, Swap-Zinsen und Kredit-Spreads.

Eine wesentliche Verbesserung gegenüber früheren Tests war die im Januar 2018 in Kraft getretene Anpassung an den International Financial Reporting Standard 9 (IFRS 9). Gemäß diesem Rechnungslegungsstandard müssen die Banken die Verluste bei Krediten nicht nur wie bisher auf Sicht von zwölf Monaten, sondern über die gesamte Laufzeit des Darlehens schätzen.

Was haben wir erfahren?

Die am meisten beachteten Kennzahlen sind die Rückgänge bei FL CET1 unter dem Negativszenario. Bei den 48 Banken rangierte der Rückgang der CET1 von FL von 30 bis 770 bei durchschnittlich 395 Basispunkten. Die Tests zeigten auch einen Anstieg der risikogewichteten Aktiva um 12,5 % (hauptsächlich bedingt durch ein höheres Kreditrisiko im Stressszenario). 25 Banken hätten Regeln zur Begrenzung der Ausschüttung an ihre Anteilseigner sowie der Mitarbeiterboni ausgelöst. Trotzdem meldeten alle 48 Banken Eigenkapitalausstattungen im Übergangsbereich, die über den Mindestanforderungen für Tier 1 lagen.

Es überrascht nicht, dass einige schwache Banken wie Banco BPM (Italien) und NordLB (Deutschland) am Ende einer Reihe von gestressten CET1-Quoten standen. Andere italienische und deutsche Banken entwickelten sich besser als erwartet, während zwei britische Banken (Barclays und Lloyds) überraschenderweise zu den fünf schlechtesten Kreditinstituten gehörten. Die Annahmen des Negativszenarios waren jedoch bezüglich der Brexit-Risiken besonders harsch. Wir glauben, dass die kommenden Stresstests der Bank of England (BoE) realistischer sein werden, da dieseim laufenden Jahr vorgenommene Verbesserungen berücksichtigen wird, ebenso wie die potenzielle Umwandlung von nachrangigen Anleihen der Kategorie Additional Tier 1 (AT1) in Eigenkapital in einem Stressszenario.

Haben sich unsere Ansichten geändert?

Die EBA-Einschätzung einer relativ starken Eigenkapitalausstattung scheint sich nicht mit dem Rückgang der Aktienkurse in diesem Jahr zu decken (der europäische SX7E-Bankindex ist gegenüber dem Höchststand von Ende Januar bis Ende Oktober um 32 % gefallen). Wir glauben, dass der Aktienkursrückgang einem Zusammenspiel von Faktoren geschuldet ist, darunter: steigende politische Risiken (zum Beispiel Italien, Brexit); Zinsbedenken; Politik der Zentralbanken; nahendes Ende des Kreditzyklus; erhöhte Risiken in Schwellenmärkten; steigendes Bewusstsein für Cyber-Risiken und die teils beunruhigend hohen Engagements in Staatsanleihen in einigen weniger soliden Ländern.

Wir teilen viele dieser Sorgen. Wir sind jedoch der Ansicht, dass Anleger weiterhin attraktive Gelegenheiten in nachrangige Anleihen finden können, insbesondere bei AT1, die von Banken mit relativ starken Fundamentaldaten und kohärenten, oft defensiveren Geschäftsmodellen ausgegeben werden. Aus unserer Sicht bieten diese Wertpapiere im Vergleich zu den anderen Teilen der Kapitalstruktur der Banken sowohl hohe Renditen* als auch ein gewisses Kurssteigerungspotenzial.

* Der Bloomberg Barclays Euro Contingent Capital Index wies per 31. Oktober 2018 eine Rendite von 6,4 % auf. Quelle: AllianceBernstein.

Die hier geäußerten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch Investmentberatung oder Anlageempfehlungen. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder.

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