Das Gesundheitssystem sorgt in den USA weiterhin für politische Kontroversen. Sollten Anleger daher fernbleiben? Sicher nicht. Es ist jedoch wichtig, sich auf Unternehmen zu fokussieren, die unabhängig von der Ausgestaltung der Gesundheitsreform langfristige Wachstumsperspektiven bieten.

Präsident Trump ist fest entschlossen, das von Obama eingeführte System („Obamacare“) mit einem „besseren und billigeren“ Programm zu ersetzen. Als Aktienanleger nehmen wir nicht an der politischen Debatte zur Gesundheitsreform teil. Die stetige Suche nach Anlagechancen im US-Aktienbereich erfordert jedoch, dass wir die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Das ist unabdinglich, um herauszufinden, ob es in einem komplizierten und erheblichen Veränderungen unterworfenen Sektor langfristige Gewinner gibt. US-Gesundheits-Aktien stiegen seit Jahresbeginn bis Ende Mai um 10,9 % (alle Zahlen auf USD-Basis), deutlich mehr als der S&P 500 Index mit 8,8 %. Wir denken daher, dass Anleger, die sich aus diesem Sektor fernhalten, dafür erhebliche Opportunitätskosten zahlen.

Der Faktor Langlebigkeit

Jede Analyse des Gesundheitssektors muss mit einigen Kernfakten beginnen. Auf der Habenseite steht sicher die Tatsache, dass die Amerikaner immer länger leben. Dem stehen die dadurch steigenden Kosten für das Gesundheitssystem gegenüber. Bessere Pflege ist also möglich und auch günstigere Pflege erscheint machbar. Beides zusammen zu erreichen, ist unserer Ansicht nach jedoch eine grosse Herausforderung.

Verglichen mit dem Rest der Welt sind die Gesundheitsausgaben in den USA sehr hoch. Die OECD verbucht für die USA Ausgaben in Höhe von 17 % des BIP, in den übrigen Industrieländern sind es nur zwischen 6 % und 11 %. Noch im Jahr 2000 waren es in Amerika nur 13 %. In den Medien werden die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente oft als Hauptschuldiger für diese Entwicklung ausgemacht, dabei macht dieser Posten nur 11 % der Gesamtausgaben aus. Die wirklich grössten Faktoren sind Krankenhauskosten mit 34 % und ärztliche Versorgung mit 21 %, basierend auf Daten der öffentlichen Krankenversicherungen. Die Frage muss also lauten: Wie bringen wir die Kosten unter Kontrolle, ohne dabei die Qualität der Gesundheitsversorgung zu beeinträchtigen?

Wer kauft die meisten Medikamente?

Ein Blick auf die Kostenverteilung nach Altersgruppen verschärft das Problem. Menschen über 50 Jahre machen 70 % der Medikamentenausgaben aus. Zwar stellen sie nur 35 % der Bevölkerung, sie sind jedoch für 91 % des Bevölkerungszuwachses der vergangenen 5 Jahre in den USA verantwortlich (laut einer aktuellen Analyse von QuintilesIMS). Wenn man also die Medikamentenkosten als Masszahl für die gesamten Gesundheitsausgaben verwendet, entsteht dadurch ein eingebauter „Turbo“ mit zunehmendem Alter. Dieses Problem wird durch die steigende Lebenserwartung noch verschärft.

Wie passen diese Trends zu Trumps aktuellen Vorschlägen? Der Anfang Mai vom Repräsentantenhaus verabschiedete Entwurf würde die Kostenbelastung für den US-Staatshaushalt laut Congressional Budget Office über die kommenden 10 Jahre moderat senken. Der Preis dafür ist jedoch hoch: geschätzt 23 Millionen Amerikaner weniger mit Krankenversicherung im Jahr 2026. Höchstwahrscheinlich müsste man dafür auch die Kostenbelastung in Richtung älterer und kranker Patienten verschieben, obwohl die Details noch unklar sind und viele Entscheidungen auf Bundestaatsebene gefällt werden.

Den US-Senioren dürfte damit eine unangemessen hohe Kostenlast aufgebürdet werden. Im Wesentlichen würde man zum alten System vor „Obamacare“ zurückkehren. Noch ist nicht absehbar, ob der Gesetzentwurf auch den Senat passieren wird. Aber die Anleger sollten sich auf jeden Fall auf Veränderungen einstellen, denn das aktuelle System ist langfristig nicht durchzuhalten.

Investieren im Gesundheitswesen: Was zu beachten ist

Was können Anleger inmitten dieser Unsicherheit tun? Suchen Sie nach Unternehmen, die differenzierte Produkte und Dienstleistungen anbieten und nicht primär von Medikamentenpreisen abhängig sind. Zu diesem Kreis könnten gehören:

• US-Gesundheitsunternehmen, die das Gros ihres Umsatzes ausserhalb der eigenen Grenzen erzielen. Unternehmen mit signifikantem Geschäft in Ländern mit unterdurchschnittlichen Gesundheitsausgaben könnten von höherem Wachstumspotenzial profitieren.

• Unternehmen aus Bereichen, die von den Systemänderungen nicht direkt betroffen sind. Dazu gehören etwa Firmen für Tiermedizin.

• Unternehmen, die Kosteneinsparungen ermöglichen und damit einen Beitrag zur Lösung der Probleme im Gesundheitswesen der USA liefern. Beispielsweise Unternehmen, die Outsourcing von klinischen Testreihen anbieten, wodurch Medikamente schneller und günstiger an den Markt gelangen.

• Pharmaproduzenten mit einzigartigen Produkten, deren höhere Kosten durch ihren Nutzen gerechtfertigt sind, sogar in einem für Kosten restriktiveren Umfeld.

US-Gesundheitsaktien haben sich in diesem Jahr bislang gut entwickelt, trotz der Unruhe. Und nach dem Fehlertrag im vergangenen Jahr bieten viele Aktien im Sektor noch relativ attraktive Bewertungen, kombiniert mit soliden Wachstumsaussichten. Um Aktien mit langfristigem Ertragspotenzial zu finden, müssen Anleger die politische Debatte aufmerksam verfolgen – und sich auf Unternehmen fokussieren, die möglichst unabhängig davon sind.

Die hier geäusserten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch dienen sie als Investmentberatung oder Anlageempfehlung. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder.

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