China gibt seinen Fokus auf „schmutziges“ Wachstum auf. Das Land setzt stattdessen verstärkt auf erneuerbare Energien und einen weniger umweltbelastenden Weg zum wirtschaftlichen Erfolg. Diese Neuorientierung könnte erhebliche neue Chancen für Aktienanleger schaffen.

In puncto Umweltschutz hat China bislang eine verheerende Bilanz vorzuweisen. Über die vergangenen drei Jahrzehnte wurde die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt heftig dafür kritisiert, dass sie ihre massive Industrialisierung ohne Rücksicht auf Umwelt und Ressourcen umgesetzt hat.

Doch das ändert sich nun. Im vergangenen Jahr unterzeichnete China das Pariser Klimaabkommen, und seitdem hat das Land seine Unterstützung für diesen Vertrag trotz des Ausscheidens der USA bekräftigt. Der asiatische Riese hat den Kurs geändert und setzt nunmehr auf einen nachhaltigeren Wachstumsansatz. Das hat erhebliche Auswirkungen für das globale Klima und die Umwelt, aber auch für Anleger in chinesischen Aktien.

Mehr als nur Imagepflege

Wir halten diese Kursänderung für dauerhaft. Warum? Weil die chinesische Regierung nicht auf Grün umschaltet, um ihr Ansehen im Westen zu verbessern. Die Machthaber in Peking haben vielmehr festgestellt, dass es einen dringenden Bedarf für bessere Luft- und Wasserqualität gibt. Die Verschmutzung hat in vielen dicht bevölkerten Industriezentren des Landes gefährliche Niveaus erreicht. Chinas wachsende Mittelklasse wird diese schlechten Lebensbedingungen schlicht nicht mehr lange akzeptieren.

Was also unternimmt die Regierung? Und wie werden diese Entscheidungen die einzelnen Sektoren des Aktienmarkts beeinflussen?

Großreinemachen

Oberste Priorität der Regierung ist die Schrumpfung der „schmutzigsten“ Branchen. Zunächst müssen die Feinpartikelkonzentrationen in der Luft reduziert und die Versorgung mit sauberem Wasser gewährleistet werden. Darüber hinaus will die Staatsführung die Klimaziele hinsichtlich der CO²-Emissionen einhalten. Die Regierung kombiniert also ihre umweltpolitischen Ziele mit ihren Anstrengungen, die Überkapazitäten in den Rohstoffbranchen abzubauen, indem sie die übelsten Dreckschleudern in den Bereichen Stahl, Papier und Chemie schließt.

Ein verringertes Angebot und weniger Wettbewerb verbessern die Preismacht der größeren Unternehmen in den „schmutzigen“ Industriezweigen. Und höhere Profitabilität versetzt diese Unternehmen in die Lage, die strikteren umweltpolitischen Vorgaben einzuhalten.

Nicht bloß Lippenbekenntnisse

In der Vergangenheit hatten Reformbestrebungen wenig Erfolg. Versuche der Führung in Peking, Veränderungen auch auf Provinz- und lokaler Ebene durchzusetzen, scheiterten an schwacher Umsetzung, Korruption und schlichter Verweigerungshaltung. Heute jedoch müssen sich lokale Parteiführer mit Karriereambitionen vielen umfangreichen Tests unterwerfen. Umweltverbesserungen gehören zu den wichtigsten Kriterien, um für Beförderungen infrage zu kommen. So werden mobile, ortsfremde (und somit weniger korruptionsanfällige) Prüfteams unangekündigt in Fabriken geschickt.

Darüber hinaus sammeln staatliche und private Stellen enorme Geldsummen für die Finanzierung von Umweltprojekten ein. So ist das Emissionsvolumen von „grünen“ Anleihen laut der „Climate Bonds Initiative“ in China von 1 Milliarde USD im Jahr 2015 auf 23 Milliarden USD im Folgejahr explodiert, und China ist damit weltweit die Nummer 1, noch vor Europa.

Aufstieg in der Wertschöpfungskette

Parallel zu diesen Anstrengungen macht China große Fortschritte in der Umwelttechnologie. Das Land ist bereits der weltgrößte Hersteller von Solarmodulen. Die Investitionen im Bereich Elektromobilität und Ausrüstung für erneuerbare Energiegewinnung steigen massiv. China ist eindeutig mehr als nur die Werkbank für die westliche Welt. Zunehmend entwickelt das Land seine eigenen Technologien, um eine nachhaltige Energieerzeugung zu ermöglichen. Solar- und Windenergie sind zwar noch ein relativ kleiner Teil des chinesischen Energiemarkts (Abbildung links), aber das Wachstum ist enorm (Abbildung rechts).

Zwei Chancenfelder

Die neue Regierungspolitik und der technologische Fortschritt schaffen zwei separate Chancenfelder für Aktienanleger in China. Das erste Chancenfeld findet sich bei einer Reihe von Unternehmen, die den neuen Appetit des Landes für saubere, alternative Energie bedienen. Diese Unternehmen wachsen oft schnell, sind gut geführt und durch staatliche und private Investoren mehr als ausreichend finanziert. Viele dieser Unternehmen werden mit einem Bewertungsabschlag gegenüber der Konkurrenz aus den Industrieländern gehandelt.

Das zweite Chancenfeld enthält Unternehmen, die zu den am wenigsten verschmutzenden Akteuren in jenen Branchen gehören, die gemeinhin als „dreckig“ angesehen werden. Das sind zugegebenermaßen keine klassischen „grünen“ Investments. Aber viele dieser Unternehmen werden gut geführt, verfügen über ein attraktives Wachstumspotenzial und werden zudem von ausländischen Investoren noch meist übersehen. Sie entsprechen darüber hinaus den Umweltstandards der globalen Konkurrenz, und sie übertreffen sie in manchen Fällen sogar.

Chinas Umschwenken auf nachhaltigere Entwicklung ist unserer Ansicht nach dauerhaft und unumkehrbar. Sicherlich bleibt noch eine Menge zu tun, um die Umweltbedingungen und Lebensqualität im Reich der Mitte zu verbessern, und auf dem Weg dahin wird es noch einige Rücksetzer geben. Aber die chinesische Regierung hat klar erkannt, dass ihr Überleben vom Erfolg dieses Kurses abhängt. Im Zuge dieser Anstrengungen und der weiteren Öffnung der chinesischen Börsen glauben wir, dass globale Aktienanleger lukrative Chancen für „grüne“ Investments an mitunter überraschenden Orten finden werden.

Die hier geäusserten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch dienen sie als Investmentberatung oder Anlageempfehlung. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder.

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