Komplexe Verbindungen zwischen dem amerikanischen und dem chinesischen Technologiesektor werden durch Handelsspannungen auf die Probe gestellt. Doch einige Maßnahmen der USA gegen Chinas Huawei Technologies könnten nach hinten losgehen und eine neue Entwicklungsphase für den chinesischen Technologiesektor auslösen.

Chinas Technologiebranche war ein Hauptziel der US-Sanktionen. Als eine der größten Erfolgsstorys für Unternehmensinnovationen ist Huawei in China eine Quelle des Nationalstolzes. Die USA hingegen betrachten den Konzern als eine Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit, der seine Technologie für die Sammlung von Informationen im Auftrag der chinesischen Regierung einsetzt. Mitarbeiter des US-Finanzministeriums, die an den Verhandlungen mit China beteiligt sind, behaupten, dass Huawei eine nationale Sicherheitsfrage ist, losgelöst von den Handelsgesprächen. Als die USA jedoch Ende 2018 den Chief Financial Officer von Huawei verhafteten, glaubten viele Beobachter, dass der Technologiesektor zu einer aktiven Front im eskalierenden Handelskrieg geworden ist.

Amerikanische Maßnahmen zwingen Huawei zur Änderung der Lieferkette

US-Präsident Trump hat in diesem Jahr ein scharfes Vorgehen gegen Huawei eingeleitet und das Unternehmen damit effektiv aus dem US-Markt ausgeschlossen. Die Auswirkungen sind weitreichend. Huawei ist der weltweit größte Hersteller von Telekommunikationsausrüstung mit einem Umsatz von 105 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018, einem globalen Marktanteil von rund 30 Prozent und Kunden in mehr als 170 Ländern. Es ist auch der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt hinter Samsung. Im Jahr 2018 investierte Huawei 15 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung. All das macht Huawei zu einem wichtigen Akteur in der globalen Technologie-Lieferkette. Bis zum Verbot stützte Huawei sich stark auf US-Lieferanten.

Auf dem G20-Treffen im Juni in Japan versprach Trump, einige Einschränkungen für Huawei zu lockern. Und Huaweis Vorstandschef Ren Zhengfei sagte der New York Times kürzlich (Link in englischer Sprache), dass das Unternehmen an Verhandlungen „in Treu und Glauben“ über eine Lösung interessiert sei. Abgesehen von politischen Kontroversen glauben wir, dass die US-Maßnahmen gegen Huawei und andere chinesische Technologieunternehmen dem Sektor neues Leben einhauchen könnten, indem sie chinesische Technologieunternehmen zwingen, ihre lokalen Lieferketten zu stärken.

Jenseits der kurzfristigen Probleme

Für Huawei und die globale Technologie-Lieferkette waren die unmittelbaren Auswirkungen schmerzhaft. Das Unternehmen ist ein wichtiger Abnehmer für höchstwertige Produkte und Dienstleistungen. Nachdem Huawei den Zugang zu Googles Android-Betriebssystem verloren hatte, erwartete das Unternehmen einen starken Rückgang seines Smartphone-Umsatzes. Da Huawei auch ein bedeutender Hersteller von 5G-Netzwerkgeräten ist, können die Beschränkungen auch den globalen Fortschritt bei der Modernisierung von Netzwerken auf 5G-Standard bremsen.

Wir gehen jedoch davon aus, dass chinesische Unternehmen ihre Bemühungen um mehr Autarkie im Laufe der Zeit beschleunigen werden. Selbst wenn das US-Verbot gelockert oder aufgehoben werden sollte, erwarten wir, dass die Ereignisse des vergangenen Jahres die Bemühungen chinesischer Technologieunternehmen und Behörden verstärken, ihre Abhängigkeit von Lieferanten im Ausland zu verringern.

Das wird nicht über Nacht passieren. In einigen Bereichen des chinesischen Technologie-Ökosystems gibt es noch große Lücken, die erst nach einiger Zeit geschlossen werden können. Lokale chinesische Lieferanten müssen auch ihre Fertigungsqualität weiter verbessern, um in das Produktportfolio von Huawei aufgenommen zu werden.

Aber langfristig glauben wir, dass die gestiegene Nachfrage die chinesischen Anbieter veranlassen wird, erhebliche Verbesserungen vorzunehmen. Unser Research deutet darauf hin, dass Huawei bereits eng mit lokalen Lieferanten von Leiterplattenmaterialien und optischen Komponenten zusammenarbeitet, um die Technologielücke zu schließen. Auch südkoreanische und taiwanesische Technologiekonzerne könnten von Huaweis Suche nach neuen Lieferanten profitieren.

Chancen finden

In China verdienen ausgewählte defensive Technologieunternehmen mehr Aufmerksamkeit. Dazu gehören Unternehmen mit überschaubarem Engagement für Huawei, die relativ isoliert von den Handelsspannungen zwischen den USA und China sind und gute Wachstumsaussichten sowie hohe Qualität aufweisen. So könnten beispielsweise einige chinesische Unternehmen von der globalen Einführung von 5G-Telekommunikationsnetzen profitieren, da die Technologielücke zu den US-Konkurrenten aus unserer Sicht nicht allzu groß ist.

Shengyi Technology ist ein gutes Beispiel dafür. Das Unternehmen ist der größte chinesische Anbieter von kupferkaschiertem Laminat (englische Abkürzung CCL), einem Schlüsselmaterial für die Herstellung von Leiterplatten. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach hochwertigen CCL-Materialien steigen wird, sobald Netzwerke auf die 5G-Technologie umsteigen, die eine viel schnellere Datenübertragung und eine viel geringere Latenzzeit als 4G ermöglicht. Huawei arbeitet bereits mit Shengyi Technology zusammen, nachdem die Beziehungen zu einem US-Lieferanten abgebrochen wurden.

Auch die chinesischen Zulieferer für optische Komponenten füllen bereits die durch das US-Verbot entstandene Lücke. Dazu gehören Accelink Technologies und Zhongji Innolight, die beide über eine Technologie verfügen, die es ihnen ermöglicht hat, die dominanten US-Anbieter, die ihrerseits aus dem chinesischen Markt verdrängt wurden, zu attackieren.

Der anhaltende Handelskrieg führt weiterhin zu Marktvolatilität und trübt die Aussichten für die chinesische Konjunktur. Wir glauben jedoch, dass dieses Marktumfeld ausgezeichnete Bedingungen für Anleger sind, um nach sich entwickelnden Chancen zu suchen. Langfristig orientierte Aktieninvestoren könnten überraschende Trends vorfinden, die aus wenig bekannten chinesischen Technologieunternehmen wichtige Branchenakteure mit hohem Ertragspotenzial machen könnten.

John Lin ist Portfoliomanager für China Equities bei AllianceBernstein (AB).

Stuart Rae ist Chief Investment Officer of Asia-Pacific Value Equities bei AllianceBernstein (AB).

Min Zhou ist Aktienresearchanalyst bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden. AllianceBernstein Limited ist von der Financial Conduct Authority im Vereinigten Königreich zugelassen und wird durch diese Behörde reguliert.

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