Auf den ersten Blick sind USD-denominierte Anleihen für europäische Anleger angesichts der steigenden Zinsen in den USA ein verlockendes Angebot.

Der Zinsaufschlag für die USA gegenüber Europa ist auf dem höchsten Stand seit Frühjahr 2007. Und der Abstand wird weiter wachsen: unseren aktuellen Zinsprognosen zufolge von 2,4 % im August 2018 bis auf 3,25 % zum Jahresende 2019. Das wäre sogar der größte Abstand seit 2006!

Warum also raten wir dazu, auf dieser Seite des Atlantiks zu bleiben?

Währungsabsicherung ist einerseits unverzichtbar, andererseits zu teuer

Die Währungsabsicherung (Hedging) ist derart teuer, dass sie den kompletten Renditeaufschlag verschlingt, den sich europäische Anleger von festverzinslichen Investments in US-Dollar erhoffen können.

Die jährlichen Hedging-Kosten lagen per Juli 2018 bei 2,8 %, gegenüber nur 0,5 % im Juli 2015. Der währungsbereinigte Renditeunterschied zwischen Staatsanleihen in US-Dollar und Euro ist daher von 1,2 % im Juli 2015 auf null im Juli 2018 gesunken. Unternehmensanleihen erging es im gleichen Zeitraum nur wenig besser. Der Renditeabstand im Investment-Grade-Bereich sank von 1,56 % auf 0,2 %, im hochverzinslichen Bereich von 2,3 % auf 0,3 %.

Diese Trends werden sich noch verstärken, weil die Fed ihre Geldpolitik schneller strafft als die EZB, ja sogar schneller als der Markt zurzeit erwartet. Wir rechnen mit vier bis fünf weiteren Zinserhöhungsschritten bis Jahresende 2019, während die EZB wahrscheinlich nur einmal in der zweiten Jahreshälfte 2019 erhöhen wird.

Ohne Währungsabsicherung zu investieren ist eine Option, aber sie ist riskant. Der Dollarkurs schwankte in den vergangenen zwölf Monaten unvorhersehbar aufgrund des stetig wechselnden US-Konjunkturausblicks und des Getöses aus Washington. Ein schwächerer US-Dollar könnte einem ungesicherten Portfolio erheblichen Schaden zufügen.

Europa ist aus eigener Kraft attraktiv

Die gute Nachricht: Die Grundlagen für Anleihen in Europa sind aus eigener Kraft attraktiv.

Die Konjunktur der Eurozone hatte einen holprigen Start in das Jahr 2018, vor allem weil ein starker Anstieg des Welthandels und der Exporte im Vorjahr zu verzeichnen war. Angesichts des nachlassenden Außenhandels wird nun die Inlandsnachfrage eine größere Rolle für das Wachstum spielen. Wir erwarten, dass die Eurozone weiter wachsen wird, allerdings nicht wie zuvor mit überdurchschnittlicher Dynamik.

Selbst eine Straffung durch die EZB wird das Wachstum nicht aus der Bahn werfen. Wir glauben, dass die Kaufprogramme im Dezember 2018 enden werden, aber wie es schon die Fed handhabte, wird die EZB wohl eher einige Jahre warten, bis sie ihre Bilanzen wieder reduziert. Und wir erwarten von der EZB auch keine Zinserhöhungen vor der zweiten Jahreshälfte 2019.

Anders ausgedrückt kann die Party noch einige Zeit weitergehen.

Und was ist mit der Politik?

Seit der Begriff "Grexit" in den allgemeinen Sprachgebrauch Eingang fand und "Brexit" zur Realität wurde, müssen europäische Anleger die geopolitische Entwicklung stets im Auge behalten. Aktuell sorgt die neue populistische Regierung Italiens für Unruhe unter den Marktteilnehmern.

Wenn man die wirtschaftliche Entwicklung Italiens seit Einführung des Euro betrachtet, kann die Unzufriedenheit der Italiener nicht überraschen. Das Pro-Kopf-BIP Italiens ist seit 1999 nicht gewachsen, ganz im Gegensatz zu Frankreich, Deutschland und Spanien.

Doch seit der "Grexit"-Krise 2011 ist viel passiert, und für Anleger in europäische Anleihen waren es durchweg positive Entwicklungen. Die EZB verfügt nun über mehrere Werkzeuge, mit denen sie in schwierigen Zeiten die Märkte mit Liquidität versorgen kann. Dazu gehört der Aufkauf von Staatsanleihen von Ländern in besonderen Notsituationen (endgültige Käufe), breit gefächerte Kaufprogramme (quantitative Lockerung) oder die Stützung von Banken eines Landes (längerfristige Refinanzierungsgeschäfte).

Das Ansteckungsrisiko ist ebenfalls seit der Bewältigung der Griechenland-Krise gesunken, wenngleich es weiterhin existiert. Europäische Banken in vielen Ländern (mit der signifikanten Ausnahme Frankreich) haben ihr Engagement in Italien auf vertretbare Niveaus reduziert. Und obwohl italienische Banken noch immer einen relativ hohen Anteil notleidender Kredite in den Büchern haben (15 % im 4. Quartal 2017), so geht es doch in die richtige Richtung (im 4. Quartal 2015 lag der Anteil noch bei 19 %). Hinzu kommt, dass die größten italienischen Banken auch die größten Fortschritte hinsichtlich der Qualität ihrer Aktiva gemacht haben und somit das systemische Risiko gesunken ist.

Angesichts der aktuellen Krise in der Türkei stellen wir fest, dass einige europäische Banken zwar dort engagiert sind, aber wir halten den Umfang für beherrschbar.

Kurz gesagt: Zwar dürfte die Volatilität hoch bleiben, aber wir denken nicht, dass die Anleger schlaflose Nächte wegen eines möglichen Arrivederci Italiens aus der Eurozone verbringen müssen. Das Szenario eines Auseinanderbrechens der Eurozone bleibt sehr unwahrscheinlich, zumindest in den kommenden Jahren.

Zeit, nach Hause zu gehen … aber wie?

Anleiheninvestoren, die sich an einem Index orientieren, setzen sich einem weitaus größeren Durationsrisiko aus, als wir für angemessen erachten. Zwar denken wir, dass Europas Konjunktur stark genug ist, um eine Zinserhöhung im kommenden Jahr zu verkraften. Wir rechnen jedoch auch mit steigenden Renditen für deutsche Bundesanleihen.

Wir favorisieren daher die Ausbalancierung von Zins- und Bonitätsrisiken mittels einer Mischung aus Staats-, Hochzins- und Investment-Grade-Anleihen. Aktuell würden wir mehr in Richtung Bonitätsrisiken tendieren und das Durationsrisiko niedrig halten, um vom weiterhin robusten Wachstum in Europa zu profitieren. Die Grundlagen für den Bankensektor in Europa sind solide und die Bewertungen attraktiv, was für die erhöhte Volatilität kompensiert. Einige ausgewählte Hochzinsanleihen bieten weiterhin attraktive Renditen, fortgesetzte Bilanzkonsolidierung und positive technische Faktoren, darunter ein begrenztes Angebot.

Europas Konjunktur ist immer noch solide, wenngleich die Dynamik nachgelassen hat. Der Finanzsektor bereinigt sich selbst, und die Geldpolitik steht vor der Wende. Wir stehen vor Zeiten großer Chancen und großer Veränderungen. Für europäische Anleger, die ihre Hausaufgaben machen und ihre Engagements sorgfältig auswählen, ist es unserer Ansicht nach eine gute Zeit, nach Hause zu kommen.

Die hier geäußerten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch Investmentberatung oder Anlageempfehlungen. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder. AB ist von der britischen Finanzmarktaufsicht genehmigt und wird von ihr beaufsichtigt.

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