Die Weihnachtszeit steht vor der Tür. Werden die US-Konsumenten ins Einkaufszentrum gehen? Oder sind Malls für immer aus der Mode gekommen? Die Debatte über die Retail-Apokalypse spiegelt sich in einem einzigen Anleihenindex wider.

Dieser Index ist der CMBX.6, der sich auf 25 US-amerikanische Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS, mit gewerblichen Hypotheken besicherte Wertpapiere) bezieht. Die Story vom Tod des Einkaufszentrums hat viele Anleger dazu gebracht, die CMBX.6 leerzuverkaufen (shorten). Aber wir betrachten diese Sichtweise als zu simpel.

Wir sehen vielmehr ein Umfeld, das viel komplexer und nuancierter ist. Viele regionale Einkaufszentren stehen kurz vor dem Scheitern, während andere wieder investieren und sich weiterentwickeln, um mit den sich ändernden Verbraucherpräferenzen Schritt zu halten.

Um eine bessere Perspektive auf die Zukunft des amerikanischen Einkaufszentrums zu bekommen, müssen wir mit seiner Geschichte beginnen.

Die Entwicklung einer großen Branche

Das überdachte regionale Einkaufszentrum mit dem Kaufhaus als Ankermieter gibt es seit 1956. In den boomenden Vororten der USA verbreitete sich das Konzept wie ein Lauffeuer. Die höheren Preisniveaus der hochproduktiven „Class A“-Malls sprachen einkommensstärkere Haushalte an. Ein mittelständischer Kundenstamm unterstützte die „Class B“-Einkaufszentren.

Die Entwicklung der Mall verlangsamte sich in der schwachen Konjunktur der 1970er-Jahre, wurde aber in den 1980er- und 1990er-Jahren wieder ernsthaft vorangetrieben, angeheizt durch das schnelle Realeinkommenswachstum, den Technologieboom und die daraus resultierende Nachfrage nach Bekleidung und Lifestyle-Marken.

Druck steigt, speziell für den Bekleidungshandel

Unterdessen braute sich eine neue Dynamik zusammen, die den Kurs der Mall-Branche dramatisch verändern sollte.

In den 1950er-Jahren, als die ersten geschlossenen Einkaufszentren eingeführt wurden, waren ihr Kernmarkt die Hausfrauen und Mütter in den Vororten. Diese Frauen kauften nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Familien ein. Das Bekleidungsmodell wurde rigoros definiert: Es gab Kleidung, die sich für zu Hause, für den Stadtbummel am Mittag oder die Schule, für die Arbeit oder für gesellschaftliche Anlässe eignet. Im Gegensatz dazu sind die heutigen Kleiderordnungen sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit viel lockerer.

Als sich die sozialen Konventionen entspannten, litt der Verkauf von Textilien. Zudem bleibt auch weniger Zeit zum Einkaufen – 62 Prozent der Ehepaare mit Kindern sind heute Doppelverdiener. Schließlich erhöhen Katalog- und Online-Einkäufe den Komfort.

Auch der Softwarenhandel ist unter Druck geraten, weil die Haushalte mit mittlerem Einkommen gegenüber stagnierenden Löhnen an Boden verloren haben. Unterdessen haben wichtige Haushaltsausgaben wie Miete, Energie, Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung und Studiengebühren die Gesamtteuerung bei Weitem übertroffen. So stiegen beispielsweise von 1996 bis 2016 die Konsumgüterpreise insgesamt um 55 Prozent, die Kosten für Bildung um 200 Prozent, für Kinderbetreuung um 125 Prozent und für Gesundheitsversorgung um 120 Prozent. Das hat das verfügbare Einkommen der meisten Haushalte für Bekleidung drastisch reduziert.

Alle diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass nicht mehr produktive Standorte geschlossen wurden. Von 2017 bis 2018, während Gebrauchsgüterhändler 18 Prozent mehr Filialeröffnungen verzeichneten, verzeichneten Warenhäuser und Bekleidungsketten laut IHL Group Schließungen von 11 Prozent beziehungsweise 29 Prozent per Saldo.

Diese Filialschließungen sind schmerzhaft für Einkaufszentren, die sich in Gegenden mit viel Konkurrenz befinden. Sie sind besonders beunruhigend für Einkaufszentren, die der „Class C“ und der „Class D“ zugeordnet sind. Diese Einkaufszentren fallen in das untere Viertel der Produktivität in der Mall-Branche und werden daher wahrscheinlich keine lebensrettenden, frischen Investitionen erhalten.

Ausleseprozess ist in vollem Gange

Während einige Analysten glauben, dass Einzelhändler auf eine reine Online-Präsenz zusteuern oder dass nur die produktivsten „Class A“-Malls überleben werden, sehen wir die Situation differenzierter.

Wir sehen Chancen für Einkaufszentren, die sich an die aktuellen Bedürfnisse und Interessen der Konsumenten anpassen und investieren, um das Einkaufserlebnis mit neuen Konzepten zu verbessern. Wir sehen insbesondere unterhalb der „Class A“ Anzeichen für diese Entwicklung.

Darüber hinaus reduzieren die Einkaufszentren ihre Abhängigkeit von Bekleidung, um den heutigen demografischen Entwicklungen und Ausgabemustern gerecht zu werden. Da die Millennium-Generation in ihre aufwendigeren, kindererziehenden Jahre eintritt, tätigen viele Mall-Besitzer Investitionen, die Malls nicht nur für Kleidung, sondern auch für Essen, Unterhaltung und Lifestyle wie Gesundheit und Fitness zum bevorzugten Aufenthaltsort machen. Einkaufszentren, die diese Transformation erfolgreich durchlaufen, haben eine wirtschaftliche Zukunft.

In Anbetracht des positiven Zyklus, der durch eine Mischung aus Online- und physischen Geschäften entsteht, bewegen sich viele Einzelhändler auf eine optimale Distributionsstrategie von 30 bis 35 Prozent im Online-Handel und 65 bis 70 Prozent im physischen Handel zu (heute liegt der Online-Anteil bei 20 bis 25 Prozent).

Selbst die jüngste Welle von Einzelhandelsinsolvenzen hat eine Umstrukturierung und Restrukturierung statt einer Liquidation zur Folge. Wir haben das bei Ketten wie Forever 21 gesehen, die nur ausgewählte Standorte geschlossen haben. Während die Branche diese aktuelle Phase durchläuft, werden viele Malls tatsächlich scheitern. Aber andere werden den evolutionären Wettlauf um das Überleben der Stärkeren gewinnen.

Kontroverse um sterbende Einkaufszentren schafft Chancen

Viele Anleger, die auf eine Apokalypse des Einzelhandels wetten, haben Schlagzeilen gemacht, indem sie die CMBX.6 leerverkauft haben – eine Wette, die, um erfolgreich zu sein, davon abhängt, dass die zugrunde liegenden Darlehen beträchtliche Verluste erleiden, und zwar bald. Wir halten das Shorten des CMBX.6 aus mehreren Gründen für eine riskante Strategie:

1) Der Index hält weniger als 0,5 Prozent der Einkaufszentren in den USA. Ihn zu shorten, um die Makroansicht auszudrücken, dass amerikanische Einkaufszentren sterben, ist ineffizient.

2) Die Nicht-Einzelhandels-Aktiva, die den CMBX.6 dominieren, haben ein erhebliches Wachstum des Nettobetriebsergebnisses und eine beträchtliche Aufwertung der gewerblichen Immobilien seit 2012 verzeichnet. Es wird nicht erwartet, dass diese Vermögenswerte nennenswerte Verluste erleiden werden.

3) Mehr als die Hälfte des 44-prozentigen Einzelhandelsengagements des CMBX.6 liegt nicht in klassischen Malls, sondern in sogenannten „Strip Malls“. Diese Malls werden typischerweise von lokalen Händlern wie Lebensmittelgeschäften und Discountern besetzt, die weitaus weniger Schließungen ausgesetzt sind als bekleidungsorientierte regionale Einkaufszentren.

4) Die meisten Mall-Darlehen im CMBX.6 dürften bei Fälligkeit ganz oder zumindest teilweise zurückgezahlt sein. Wir schätzen, dass 8 der 37 im Index enthaltenen Malls mit ziemlicher Sicherheit ausfallen und in der Nähe ihres Grundstückswertes liquidiert werden. Aber diese extreme Verlustschwere wird von einigen Anlegern auf alle Malls des CMBX.6 übertragen. In Wirklichkeit sind die anderen Einkaufszentren im Index lebensfähige Vermögenswerte, die über einen ausreichenden Cashflow verfügen, um ihre jährlichen Zins- und Tilgungszahlungen bequem zu decken.

5) Verluste werden meist noch auf sich warten lassen. Die Spezialdienstleister, die säumige Kredite verwerten, arbeiten mit den Schuldnern zusammen, um den Abwicklungswert zu maximieren. Das bedeutet häufig, dass Darlehen geändert werden müssen. Selbst bei vollständiger Liquidation kann der Prozess viele Monate dauern.

Als Anleger ist es für uns alle einfach, in den Hype einer Schlagzeile hineingezogen zu werden. Aber oft finden sich die besten Trades nicht in einem flotten Spruch. Unserer Meinung nach ist das Ende der „American Mall“ eine interessante Geschichte – aber keine gute Anlagestrategie.

Brian Phillips ist Director of Commercial Real Estate Credit Research bei AllianceBernstein.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.

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