Die Ersparnisse der privaten Haushalte in den Industrieländern verzeichneten im vergangenen Jahr einen deutlichen Anstieg, der 10 % des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Dieser Anstieg dürfte den Konsum ankurbeln, da Beschränkungen für wirtschaftliche und soziale Aktivitäten wegfallen und die aufgestaute Nachfrage freigesetzt wird. Die damit einhergehende Verschlechterung der Bilanzen des öffentlichen Sektors und die ungleiche Verteilung der überschüssigen Ersparnisse bedeuten jedoch, dass die Auswirkungen wahrscheinlich nicht annähernd so groß sein werden, wie es die Schlagzeilen vermuten lassen.

Die Weltwirtschaft steht vor einer Phase, in der die jährlichen Wachstumsraten ungeahnte Höhen erreichen werden. Ein großer Teil dieses Wachstums wird jedoch künstlich sein – es spiegelt einfach wider, dass ein größerer Teil der Wirtschaft heute offen ist als noch vor einem Jahr. Eine echte Überraschung nach oben erfordert mehr als positive Basiseffekte. Ein Bereich, der für eine solche Überraschung sorgen könnte, ist die Freisetzung der erzwungenen Ersparnisse der Haushalte. Die Sparquoten sind in den Industrieländern im vergangenen Jahr gestiegen, da die Regierungen das Gesamteinkommen erfolgreich gestützt haben, während der Konsum durch die Sparzwänge eingeschränkt wurde (Abbildung, oben links).

Wir schätzen, dass die Brutto-Sparquote der privaten Haushalte der Industrieländer von 11 % im Jahr 2019 auf 19 % im letzten Jahr gestiegen ist. In ähnlicher Weise stiegen die Bestände des Haushaltssektors an Bargeld und Bankeinlagen von 1,4 Billionen US-Dollar Ende 2019 auf 4,3 Billionen US-Dollar Ende letzten Jahres. Alles bereit für eine Konsumflut also?

Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt zwei wichtige Vorbehalte:

1) Es ist irreführend, die Verbesserung der Haushaltsbilanzen isoliert zu betrachten. Spiegelbildlich zum Anstieg der Ersparnisse der privaten Haushalte im letzten Jahr hat sich die Finanzlage der Staaten verschlechtert. Ebenso spiegelt sich der letztjährige Anstieg der Bargeld- und Einlagenbestände der privaten Haushalte auf der Passivseite der nationalen Bilanzen in einem massiven Anstieg der Staatsverschuldung wider (Abbildung, oben rechts). Selbst wenn es keine unmittelbaren Steuererhöhungen gibt, dürfte die Angst vor zukünftigen Mehrbelastungen den Enthusiasmus der Menschen dämpfen, ihre überschüssigen Ersparnisse auszugeben – eine Ende 2020 durchgeführte Umfrage der Bank of England ergab, dass nur 10 % der privaten Haushalte, die in der Lage waren, Überschüsse auszugeben (was nur 3 % der gesamten Stichprobe entspricht), diese Ausgabe auch tätigen wollen.

2) Der Sparanstieg ist nicht gleichmäßig verteilt. Eine aktuelle Studie des französischen Statistikamtes INSEE zeigt, dass der durchschnittliche Haushalt in Frankreich im vergangenen Jahr um fast 4.000 Euro besser gestellt war. Allerdings betrug der Zuwachs nur 218 Euro für Haushalte im untersten Vermögensquartil und über 10.000 Euro für jene im ersten Quartil. Da die marginale Konsumneigung in der oberen Einkommensgruppe wahrscheinlich viel geringer ist, dürfte die Konzentration auf den durchschnittlichen oder aggregierten Zuwachs den potenziellen Anstieg des Konsums überbewerten, vielleicht sogar auf eklatante Weise.

Darren Williams ist Director für Global Economic Research bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.

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