Die Emerging Markets (EMs) hinken oft hinter den Industrieländern her, wenn es um die breite Umsetzung neuer Technologien geht. Doch das beginnt sich zu ändern. Schwellenländer und die dortigen Unternehmen werden immer öfter zu Internet-Trendsettern, insbesondere auf den Gebieten Onlinehandel und digitaler Zahlungsverkehr.

Gemeinhin werden die Schwellenländer meist als Nachahmer von Technologie angesehen. Von Chinas Cloud-Markt bis zu Indiens Milliarden-Handyboom folgen die Emerging Markets oft den Fussstapfen der Technologieinnovatoren der Industrieländer.

Doch das Internet bringt eine neue Chancengleichheit mit sich und viele EM-Unternehmen profitieren davon. Unserer Ansicht nach müssen die Platzhirsche aus der entwickelten Welt den vermehrten Innovationen aus den Schwellenländern mehr Aufmerksamkeit widmen. Für Aktienanleger haben diese Trends wichtige Auswirkungen für die Suche nach Investmentchancen in den Schwellenmärkten.

EM-Onlinehandel boomt

Der Onlinehandel ist das Herzstück der Umwälzungen. In vielen Schwellenländern ist der Online-Anteil am Gesamthandel höher als in den Industriestaaten, trotz niedrigerer Pro-Kopf-Einkommen (Abbildung). Tatsächlich ist in einigen Ländern das Fehlen einer tragfähigen Handelsinfrastruktur ein Bonus für die Marktführer des Onlinehandels.

Indien und Südkorea sind Paradebeispiele dafür. In Indien sind 90 % des Handelssektors noch unorganisiert und oft markenfrei. Herkömmliche Händler haben es nie vermocht, die Penetration und Loyalität bei Kunden zu erreichen, die etwa Walmart oder Carrefour in ihren Heimatmärkten geniessen. Der Online-Anteil am Handel ist daher in Indien bereits höher als in Italien, und er wird bald Singapur übertreffen, eines der Länder mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen.

Digitaler Zahlungsverkehr wächst rasant

Auch im Segment digitaler Zahlungsverkehr preschen die Schwellenländer nach vorne. In den USA steckt dieser Bereich noch in den Kinderschuhen, auch wegen des veralteten Bankenzahlungssystems und obwohl Google und Apple ihre Zahlungsplattformen massiv bewerben. Einer Umfrage der US Federal Reserve (auf Englisch) zufolge haben in den vergangenen zwölf Monaten nur ein Viertel der amerikanischen Smartphone-Nutzer eine Zahlung mit ihrem Handy getätigt.

Einer anderen Erhebung von Nielsen (auf Englisch) nach haben hingegen 86 % von Chinas Smartphone-Besitzern bereits mit dem Handy bezahlt. Alipay, mit fast 300 Millionen Nutzern Chinas führende digitale Zahlungsverkehrsplattform, wickelte im Jahr 2015 Zahlungen über mehr als 500 Milliarden USD ab. Alipay gehört zum Teil zum chinesischen Onlinehandelsgiganten Alibaba und ist Chinas beliebteste Zahlungsplattform (Abbildung), die fast alles von Flugtickets bis Street-Food bietet. Internetfirmen wie Alibaba und Tencent nutzen ihre Brückenköpfe im digitalen Zahlungsverkehr, um in die Bereiche Kredite, Versicherungen und Vermögensverwaltung zu expandieren. Damit könnten sie unserer Einschätzung nach langfristig sogar Chinas herkömmliche Banken herausfordern.

Wachstumsmärkte sind nicht ohne Risiken

Die technologische Innovation in diesen stark wachsenden Märkten ist mit einigen Risiken behaftet, insbesondere für „First Movers“. Indiens grösster Onlinehändler Flipkart kann ein Lied davon singen.

Flipkart wurde 2007 gegründet, sechs Jahre bevor Amazon in Indien auf den Plan trat. Amazon hatte aus seinen Fehlern in China gelernt und investierte massiv in seinen Markteintritt in Indien. Innerhalb von drei Jahren wurden über 5 Milliarden USD ausgegeben, ein starkes Team vor Ort aufgebaut und Same-Day-Lieferungen in 100 indischen Städten angeboten. Flipkarts Abwehrbemühungen scheiterten. Das Unternehmen verlor Marktanteile und der Aktienkurs sank massiv. Noch ist nicht aller Tage Abend, denn der indische Markt verändert sich weiterhin rapide. In den kommenden fünf Jahren erwartet man 150 Millionen neue Onlineshopper.

Auf der Suche nach EM-Innovationen

Innovation bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen für EM-Anleger mit sich. Wahre Pioniere zu finden erfordert mehr als ein Filtern nach Wachstumsraten oder Profitabilität mit herkömmlichen Aktienkennzahlen. Unserer Ansicht nach sollten Investoren vielmehr ein detailliertes Verständnis lokaler Trends und Vorlieben aufbauen und dabei auf branchenspezifische Parameter achten.

So ist etwa bei der Suche nach Internet-Konsumunternehmen die Einschätzung des lebenslangen Werts der Kunden besonders hilfreich. Diese Kennzahl erlaubt es Anlegern, den Beitrag langfristiger Kundenbeziehungen zum Unternehmensgewinn einzuschätzen, der wiederum durch Anwerbe- und Beibehaltungskosten determiniert wird. Indische Onlinehandelspioniere etwa erreichen in dieser Hinsicht nur niedrige Werte.

Eintrittsbarrieren sind ein weiterer wichtiger qualitativer Massstab für die Langlebigkeit eines Unternehmens. In neuen Branchen kann sich die Wettbewerbslandschaft rapide verändern und Erfolg und Scheitern liegen nahe beieinander, wie das Flipkart-Beispiel zeigt. Anders als in Indien sind aber Chinas Internetgiganten durch staatlichen Protektionismus geschützt. Auch die enormen Netzwerkeffekte ihrer Dienstleistungen, wie etwa Tencents WeChat-App mit fast 850 Millionen Nutzern, machen sie widerstandsfähig.

Die Gewinner in starken Wachstumssektoren und verschiedenen Regionen vorauszusagen ist kein leichtes Unterfangen. Wer jedoch aus konventionellem Denken ausbricht und beachtet, dass keine zwei Märkte sich gleichen, kann als EM-Anleger Technologie-Trendsetter finden, die nachhaltige Innovation, globale Marktführerschaft und attraktive langfristige Erträge versprechen.

Die hier geäusserten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch dienen sie als Investmentberatung oder Anlageempfehlung. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder.

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