Großbritanniens Entscheidung, die Trennung von der EU einzuleiten, sowie die näher rückenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich sorgen erneut für politische Risiken auf den Märkten. Anleihenanleger stellen sich auf politische Unbeständigkeit ein. Aber sind sie für große Veränderungen in der Geldpolitik bereit?

Folgt auf den Brexit der Frexit?

Die Entscheidung der britischen Regierung, Artikel 50 formal auszulösen und das Verfahren zum Austritt aus der Europäischen Union (EU) einzuleiten, konnte die Anleger kaum überrascht haben. Die Regierung erklärte seit Monaten, dass dies Ende März geschehen würde. Nachdem der Brexit nun begonnen hat, stehen zwei spannungsgeladene Verhandlungsjahre zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bevor. Hindernisse sind dabei so gut wie sicher und könnten die Märkte erschüttern.

Eine dringlichere Sorge sind die nahenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsextremen Front National, gehört zu den Favoriten und hat den Ausstieg Frankreichs aus der einheitlichen Währung angekündigt. Es ist fast sicher, dass Le Pen zu den Gewinnern des ersten Wahlgangs am 23. April gehören wird. Allgemein wird jedoch erwartet, dass sie im zweiten Wahlgang am 7. Mai geschlagen wird. Selbst wenn sie gewählt wird, ist es lange noch nicht sicher, dass sie in der Lage sein wird, Frankreichs EU-Austritt – den Frexit – durchzusetzen. Aber eine Präsidentschaft Le Pens würde die Anleger sicherlich dazu veranlassen, das Auseinanderbrechen der Eurozone mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einzupreisen. Verständlicherweise werden sie nervöser, je näher der Wahltermin rückt.

Die Anleihenspreads spiegeln diese Furcht wider. Der Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen hat sich erheblich vergrößert und wird vermutlich mindestens bis zum 7. Mai weiter unter Druck geraten. Sollte Le Pen eine Niederlage erleiden, werden die Spreads wahrscheinlich wieder zurückgehen. Sollte sie jedoch gewinnen, könnten sich die Spreads auf Levels ausweiten, wie es sie seit den schlimmsten Zeiten der Eurozonen-Krise vor fünf Jahren nicht gegeben hat. Die französischen Staatsanleihen würden die Hauptlast der politischen Ungewissheit tragen, aber der Rest der Eurozone würde voraussichtlich nicht unversehrt davon kommen. Die Anleihenrenditen der Randstaaten könnten in die Höhe getrieben werden und die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen könnten fallen, während der Wechselkurs des Euro vermutlich schwächeln würde.

Die Europäische Zentralbank (EZB) würde rasch handeln, um anhaltende Turbulenzen auf dem Markt abzuwehren. Sehr wahrscheinlich würde sie dazu die am stärksten angeschlagenen Anleihen aufkaufen.

Zeichnen sich Änderungen in der Geldpolitik ab?

Ungewiss ist, wie die EZB reagieren wird, wenn Le Pen geschlagen wird und Europa dieses Jahr das größte Potential politischen Umsturzes umschifft. Die Anleihenmärkte müssen sich möglicherweise auf eine böse Überraschung gefasst machen. Sie erwarten, dass die EZB ihre quantitative Lockerung ab Ende 2017 bzw. Anfang 2018 zurückfährt. Stabilere politische Aussichten würden in Verbindung mit besser als erwartet ausfallenden europäischen Wachstumsraten jedoch die Chancen erhöhen, dass die EZB mit einer frühen Drosselung – vielleicht bereits in der zweiten Jahreshälfte – beginnt.

Die EZB ist sich der Notwendigkeit eines behutsamen Vorgehens sehr bewusst: Sie wird sich bemühen, sicherzustellen, dass jeder Abbau von Unterstützung für die europäischen Anleihenmärkte sowohl korrekt angekündigt wird als auch schrittweise erfolgt, um die sich daraus ergebenden Schwankungen im Zaum zu halten.

Andererseits werden die Anleihenmärkte größere Anpassungen vornehmen müssen, da eine Welt ohne quantitative Lockerung naht. Betrachten wir das Verhältnis von US-Staatsanleihen und Bundesanleihen vor der quantitativen Lockerung der EZB, so sollten die Erträge der Bundesanleihen erheblich höher sein als dies derzeit der Fall ist. Wir glauben, dass sie sogar 1% höher lägen. Es könnten sich also massive Schwankungen bei den Anleihenpreisen anbahnen.

Wo liegen angesichts dieser komplexen Situation die Prioritäten europäischer Anleihenanleger?

Über den europäischen Tellerrand schauen. Engagieren Sie sich bei Anleihen, die eine wertvolle Diversifizierung gegenüber potenziell volatilen Euro-Anlagen (auf Englisch) bieten können. Ein globalerer Ansatz bietet europäischen Anlegern nicht nur Schutz vor den politischen Risiken Europas. sondern auch den Diversifikationseffekt asynchroner Inflationszyklen in Industrie- und Schwellenländern. So könnten etwa die Renditen von Schwellenländeranleihen fallen, während sie in der entwickelten Welt steigen.

Verbriefte US-Anlagen berücksichtigen. Verbriefte Wertpapiere aus den USA bieten eine weitere zuverlässige Quelle für Diversifizierung und Erträge. Credit-Risk-Transfer Securities (CRT) der halbstaatlichen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac ermöglichen Anlegern den Zugang zum starken US-Immobilienmarkt (auf Englisch). Ihre variablen Zinssätze machen sie insbesondere im Umfeld steigender US-Zinsen attraktiv. Anders als die typischen „Agency“-Anleihen sind CRT zwar mit einem Kreditrisiko verbunden, das allerdings mit hohen Renditen mehr als adäquat kompensiert wird. Außerdem befinden sich diese Investments in der Regel in frühen Phasen des Kreditzyklus.

Stärkere Diversifizierung der Emittenten. Nicht zuletzt sollten Anleger sicherstellten, dass sie eine angemessene Diversifikation auf Emittentenebene aufweisen können. Häufig bieten europäische Unternehmensanleihen in Fremdwährung höhere Spreads als auf dem inländischen Markt.

In diesen komplizierten Zeiten müssen Anleger mit ihrem Engagement auf dem Anleihenmarkt proaktiv umgehen. Wenn festverzinsliche Portfolios gut diversifiziert und clever positioniert sind, glauben wir, dass es möglich ist, sich gut für eine politische und geldpolitische Achterbahnfahrt zu wappnen.

Die hier geäusserten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch Investmentberatung oder Anlageempfehlungen. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder. AB ist von der britischen Finanzmarktaufsicht genehmigt und wird von ihr beaufsichtigt

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