Weltweit sind schätzungsweise mehr als 40 Millionen Menschen Opfer von verschiedenen Formen der modernen Sklaverei, einschließlich Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft und Menschenhandel. Allein mit Zwangsarbeit erwirtschaften die dahinterstehenden Kriminellen schätzungsweise 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Dieses soziale Übel ist derart verbreitet, dass Verbraucher unwissentlich mit moderner Sklaverei in Berührung kommen können und Anleger in ihren Portfolios unbeabsichtigt davon betroffen sein können. Da das Bewusstsein für die moderne Sklaverei weltweit wächst, arbeiten Regierungen, Unternehmen und andere daran, sie zu bekämpfen, und ergreifen Maßnahmen zur Verschärfung der Meldepflichten für Unternehmen.

Vielen Unternehmen fällt es jedoch immer noch schwer, das Risiko der modernen Sklaverei nicht nur in ihren Betrieben, sondern auch entlang ihrer globalen Lieferketten zu bewerten, obwohl viel auf dem Spiel steht und die Folgen dramatisch sind. Unternehmen müssen mehr als nur den potenziellen Schaden für ihr Ansehen und ihren Gewinn in Betracht ziehen, denn das Risiko der modernen Sklaverei ist nicht vergleichbar mit anderen Geschäftsrisiken: Es ist ein Risiko für Menschen.

Die Branche steht zwar noch am Anfang eines wahrscheinlich langen Weges, um die moderne Sklaverei zu erkennen und auszurotten, aber Anleger, Unternehmen und Fondsmanager können alle eine entscheidende Rolle spielen. Das beginnt mit einem genauen Blick in die Portfolios.

Ein Rahmen für die Bewertung des Risikos für Menschen

Um das Risiko der modernen Sklaverei zu erkennen, ist ein durchdachter Analyserahmen ein wichtiges Instrument. Er ermöglicht es Anlegern, alle Unternehmen im Universum eines Portfolios – und nicht nur die, die derzeit im Portfolio gehalten werden – auf der Grundlage ihrer potenziellen Gefährdung zu priorisieren.

Wir haben einen Mechanismus entwickelt, der vier Risikofaktoren berücksichtigt:

  • Vulnerable Populationen (einschließlich Wanderarbeiter, Minderheiten und Personen mit unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund)

  • Riskante Regionen (einschließlich der Länder, in denen es in der Vergangenheit zu Missbräuchen gekommen ist, die von Konflikten betroffen sind und in denen die Rechtsprechung eingeschränkt oder schwach ist)

  • Riskante Produkte und Dienstleistungen (einschließlich Rohstoffe, Basisdienstleistungen, interne Dienstleistungen und „Sweatshops“)

  • Riskante Geschäftsmodelle (einschließlich Auslagerung, betrügerische Personalvermittler, saisonale Nachfragespitzen und Franchising)

Auf der Grundlage unserer Grundlagenforschung und der Informationen von Drittanbietern ordnen wir die Unternehmen einer Matrix zu, die das Ausmaß der Gefährdung sowohl im Betrieb als auch in den Lieferketten aufzeigt. In diesem Schritt bewerten wir nur die Gefährdung – nicht, wie gut oder schlecht ein Unternehmen das Risiko verwaltet. In der nachstehenden Abbildung verwenden wir Branchen zur Veranschaulichung der Matrix; in der Praxis werden einzelne Unternehmen eingezeichnet.

Die Unternehmen oben rechts gelten als risikoreicher, weshalb wir ihnen höchste Priorität einräumen. Doch diese Unternehmen sind nicht unser einziger Fokus. Die Matrix stellt ein Risikospektrum dar: Die Unternehmen unten links könnten wir als weniger vorrangig für ein Tätigwerden betrachten, aber sie sind sicherlich nicht risikofrei.

Ein Unternehmen, das gewerbliche Immobilien in einem Land besitzt, könnte beispielsweise durch die von einem Reinigungsunternehmen eingesetzten Wanderarbeiter immer noch dem Risiko der modernen Sklaverei ausgesetzt sein. Auch wenn die REITs-Branche im risikoärmeren Teil der Matrix erscheint, könnte unser unternehmensspezifisches Fundamentalresearch ein REIT-Unternehmen aus ihrer Vergleichsgruppe herausgreifen und sie einem anderen Quadranten zuordnen.

Nutzung von spezialisiertem Research

Für jeden Risikofaktor gibt es zahlreiche Quellen von Dritten, die hochwertige Analysen zur modernen Sklaverei anbieten.

Der Global Slavery Index (GSI) der Walk Free Foundation beispielsweise liefert eine nach Ländern geordnete Rangliste der Zahl der Opfer moderner Sklaverei, analysiert die Reaktionen der Regierungen und erläutert die Faktoren, die Menschen in Gefahr bringen. Die Daten helfen uns, die Gefährdung einzelner Unternehmen auf der Grundlage der Länder zu beurteilen, in denen sie tätig sind und/oder Waren beziehen.

Wir haben festgestellt, dass das weltweite Bewusstsein für das Risiko der modernen Sklaverei uns Aufschluss darüber geben kann, wie die Unternehmen darauf reagieren. Es ist beispielsweise bemerkenswert, dass sich Supermarktketten in Europa und den USA einer Initiative angeschlossen haben, um die Risiken für die Menschen in der thailändischen Fischereiindustrie zu verringern. Auch Elektronik-, Einzelhandels-, Automobil- und Spielzeugunternehmen setzen sich über die gemeinnützige Responsible Business Alliance (RBA) für die Rechte und das Wohlergehen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren globalen Lieferketten ein.

Grundlagenforschung und Engagement: Der Weg zu einem besseren Verständnis

Die Kartierung von Unternehmen anhand des Priorisierungsrahmens und der Matrix ist nur der erste Schritt zur Bewertung des Risikos der modernen Sklaverei. Um die einzelnen Unternehmen und ihre Risiken und Maßnahmen im Bereich der modernen Sklaverei vollständig zu verstehen, müssen die Anleger jedes Unternehmen entsprechend seiner Risikopriorität genau untersuchen.

Das erfordert nicht nur gute Researchfähigkeiten und die Zusammenarbeit zwischen ESG-Experten und Fundamentalanalysten. Es bedarf auch der Bereitschaft, direkt mit den Managementteams der Unternehmen in Kontakt zu treten, und einer klaren Vorstellung von den besten Praktiken bei der Identifizierung und dem Management von Risiken der modernen Sklaverei.

Mit den richtigen Instrumenten und Prozessen haben Anleger eine viel bessere Chance, das Risiko der modernen Sklaverei genau zu erkennen und die Bemühungen zur Ausrottung der modernen Sklaverei in der ganzen Welt voranzutreiben.

Dieses Dossier ist Teil einer Reihe von Erkenntnissen darüber, wie man die potenzielle Gefährdung durch moderne Sklaverei im Rahmen des Anlageprozesses bewerten und angehen kann, indem man die direkten Geschäftstätigkeiten der Unternehmen und ihre globalen Lieferketten analysiert.

Michelle Dunstan ist Chief Responsibility Officer und Portfoliomanagerin der Global ESG Improvers Strategy bei AllianceBernstein (AB). Saskia Kort-Chick ist Director of Research and Engagement für Responsible Investing bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.

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