Die Anleihenmärkte gelten als schwankungsarm. Sie werden sogar für langweilig gehalten. Es gilt: Allokation festlegen, Kupons kassieren und sich über einen Stabilitätsanker im Portfolio freuen. Die aktuelle Unsicherheit an den Anleihenmärkten sorgt jedoch für Nervosität bei Anlegern. Im Folgenden gehen wir auf das aktuell schwierige Anlageumfeld ein und erläutern einige Strategien zur Risikominderung.

Inflation: Heute hier, morgen fort?

Die Inflationsängste konzentrieren sich aktuell vor allem auf die USA, wo der Kern-Verbraucherpreisindex in den zwölf Monaten bis August 2021 um 4,0% stieg. Wir gehen davon aus, dass dieser Inflationsanstieg nur vorübergehend ist. Wir erwarten, dass sich der Preisanstieg verlangsamen wird, wenn die pandemiebedingten Lieferengpässe nachlassen. Das Angebot dürfte dann mit der Nachfrage gleichziehen, sodass der Druck von den Preisen genommen wird.

Könnte die Inflation im Euroraum zum Problem werden? Damit ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Die Europäische Zentralbank hat kürzlich ihre Inflationsprognose für 2023 auf gerade einmal 1,5% festgelegt, was zeigt, wie weit sie vom Erreichen ihrer Inflationsziele entfernt ist (und dass die Wertpapierkäufe noch lange nach dem Auslaufen des Pandemie-Notfallankaufprogramms erforderlich sein dürften).

In den nächsten Jahren, in denen die Regierungen versuchen werden, die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie zu beheben, die massive Verschuldung unter Kontrolle zu bringen und die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, dürfte aus unserer Sicht allerdings ein radikaler Politikwechsel anstehen, der Wegbereiter für einen Inflationsanstieg ist.

Die Inflation dürfte unserer Meinung nach nicht so problematisch werden wie vor 50 Jahren, doch Anleger sollten sicherheitshalber trotzdem einige Anpassungen an ihren Portfolios vornehmen. Sogar eine nur mäßig höhere Inflation kann den realen Wert von Anlagerenditen aufzehren und führt häufig zu höheren Zinssätzen. Im heutigen Umfeld sollten Anleger die folgenden Strategien in Betracht ziehen:

  • Eine leichte Verringerung der Portfolio-Duration bzw. Zinssensitivität. Bei steigenden Marktrenditen fallen die Preise für Anleihen mit kürzeren Laufzeiten weniger als für Anleihen mit längeren Laufzeiten. Darüber hinaus können Anleihen mit kürzeren Laufzeiten schneller in solche mit höheren Renditen reinvestiert werden.
  • Ausrichtung der Vermögensallokation in Richtung Kredit, um zusätzliche Renditen und Erträge zu erzielen. Dazu gehört eine Erhöhung des Engagements in hochverzinslichen Unternehmensanleihen. Anleihen, die einen Renditeaufschlag gegenüber Staatsanleihen bieten (zum Beispiel Unternehmensanleihen), reagieren weniger sensibel auf Zinsänderungen. Je höher der Renditeaufschlag ist, desto weniger zinssensitiv ist die Anleihe.
  • Weltweite Diversifizierung in alle hochverzinslichen Segmente, wie etwa US-amerikanische Kreditrisikotransferpapiere (Credit Risk-Transfer Securities, CRT), mit geringer Korrelation zu Staatsanleihen und untereinander. CRT sind variabel verzinsliche Anleihen, die durch Immobilien – wie Wohneigentum – besichert sind, welche oft von der Inflation profitieren. Dank des robusten US-Wohnungsmarktes scheinen die Fundamentaldaten für CTR attraktiv. Ausgewählte Emerging Markets sind ebenfalls attraktiv; sie bieten eine weitere Diversifizierungsmöglichkeit und sind eine Quelle potenzieller Renditen.

Taper ohne Tantrum

Während die Inflation das Potenzial hat, Renditen nach oben zu treiben, kann dies auch durch das Zurückfahren der lockeren Geldpolitik geschehen. Diese Angst vor steigenden Zinsen steht im Zusammenhang mit der sich rasch erholenden US-Wirtschaft, die schon im November eine Drosselung der Anleihenkäufe („Tapering“) im Rahmen der quantitativen Lockerungsmaßnahmen der US-Notenbank (Fed) notwendig machen wird.

Aus zwei Gründen rechnen wir jedoch dieses Mal nicht mit einem „Taper Tantrum“. Erstens hat die Fed aus ihrem Fehler aus dem Jahr 2013 gelernt, als sie die Märkte mit einer Veränderung ihrer Geldpolitik überraschte und damit einen dramatischen Anstieg der Renditen auslöste. Dieses Mal hat die US-Notenbank lange im Voraus mit der Vorbereitung begonnen, um Überraschungen zu vermeiden. Zweitens: Wenn die Fed ihre Anleihenkäufe zurückfährt, werden die US-Banken ihre Anleihenkäufe wahrscheinlich erhöhen, um ihren höheren Ertragsbedarf zu decken.

Das Tapering, also die Drosselung der quantitativen Lockerung, wird der erste Schritt auf dem langen Weg hin zu einer Normalisierung der Geldpolitik sein. Die Fed wird das Tempo ihrer Wertpapierkäufe vermutlich schrittweise verringern und noch bis ins Jahr 2022 hinein weiterhin Anleihen ankaufen. Sobald die Anleihenkäufe im Rahmen der quantitativen Lockerung vollständig enden, wird die Fed die Kupons und fällig werdenden Anleihen weiter reinvestieren und bleibt dadurch auf Jahre hinaus ein wichtiger Teilnehmer auf den Anleihemärkten. Wir gehen davon aus, dass die Fed die Leitzinsen noch einige Monate bei null halten wird, nachdem dieses Gleichgewicht erreicht wurde, bevor sie dann schließlich mit Zinserhöhungen beginnt.

Die Folge könnte im Verlauf der nächsten ein oder zwei Jahre ein allmählicher Anstieg der US-Anleiherenditen sein. So dürften die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen zum Jahresende 2022 moderat steigen. In der Zwischenzeit dürften die Renditen in der Eurozone und in Japan weiter nahe null bleiben, während die Renditen in China, das sich dem Trend der extrem niedrigen Renditen widersetzt hat, voraussichtlich relativ hoch bleiben.

Leider bringen diese Bedingungen die Anleger in eine Zwickmühle. Einerseits bedrohen die extrem niedrigen Anleiherenditen das Ertragspotenzial der Portfolios. Andererseits kann der Weg zu höheren Renditen, auch wenn er letztlich positiv ist, sehr schmerzhaft werden, da die Preise für Anleihen zunächst sinken werden. Wie also können sich Anleger schützen?

Unserer Ansicht nach sind die bereits beschriebenen Strategien – Duration verringern, stärkere Ausrichtung in Richtung Kredit und Diversifizierung – ein solider Anfang. Doch die Anleger können im heutigen Umfeld noch mehr tun. Die effektivsten aktiven Strategien sind unter anderem solche, die Staatsanleihen und andere zinssensitive Vermögenswerte mit wachstumsorientierten Kredittiteln in einem einzigen, dynamisch verwalteten Portfolio kombinieren.

Dank diesem Ansatz ist es für Manager einfacher, die Wechselwirkungen zwischen Zinssätzen und Kreditrisiken in den Griff zu bekommen und bessere Entscheidungen darüber zu treffen, welche Gewichtung jeweils verstärkt werden sollte. Die Möglichkeit, negativ korrelierte Vermögenswerte umzuschichten, trägt zur Generierung von Erträgen und potenziellen Renditen bei und begrenzt gleichzeitig das Ausmaß der Drawdowns, wenn Risikoanlagen abgestoßen werden.

Loslassen: China und Evergrande

Zu einer solchen Verkaufswelle kam es an den chinesischen Kreditmärkten, als sich zeigte, dass Evergrande, der größte und am stärksten verschuldete Immobilienentwickler der Welt Schwierigkeiten hat, seinen Schuldenberg zu bedienen. Viele Marktbeobachter fragten sich öffentlich, ob die chinesische Regierung das Unternehmen retten wird.

Gründliche Kreditanalysen sind in turbulenten Phasen angesichts des höheren Risikos von Zahlungsausfällen und Schuldenrestrukturierungen einzelner Unternehmen entscheidend. Im Falle Chinas muss auch die Beurteilung, ob die Regierung bereit ist, ein Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen, in die Analysen einbezogen werden. Mit anderen Worten: Die Anleger müssen systematisch beurteilen, welche Unternehmen von Peking als systemrelevant angesehen werden.

In den Augen der chinesischen Regierung ist es nicht notwendig, Evergrande zu retten. Denn in der riesigen chinesischen Wirtschaft ist kein einzelner Immobilienentwickler – nicht einmal Evergrande – systemrelevant. Unsolide Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen, steht im Einklang mit dem Ziel der chinesischen Staatsführung, die Solidität des Unternehmenssektors zu erhöhen. Das ist gut für Anleiheinvestoren.

Auch wenn weder Evergrande noch seine Wettbewerber für sich genommen systemrelevant sind, ist die chinesische Immobilienbranche als Ganzes betrachtet von großer Bedeutung. Immobilienentwickler und damit verbundene Teilsektoren wie Anbieter von Baumaschinen und -materialien haben eine Gesamtverschuldung von 101 Billionen Renminbi – das entspricht 35% des chinesischen Finanzsystems und 100% des BIP des Landes.

Während also einzelne Immobilienentwickler in Verzug geraten oder scheitern dürfen, wird die chinesische Regierung höchstwahrscheinlich Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen auf die Branche zu begrenzen. Falls die Anzeichen für eine Ansteckung zunehmen sollten, werden die chinesischen Behörden unserer Einschätzung nach in Koordination mit den großen staatlichen Banken und gegebenenfalls durch politische Anpassungen den Finanzierungsdruck verringern und das Anlegervertrauen stärken.

Wir gehen davon aus, dass die meisten Immobilienentwickler diese kurze Phase hoher Volatilität überstehen werden. Allerdings könnten sich die Turbulenzen auf den Finanzmärkten als selbstverstärkend erweisen, wenn der erschwerte Zugang zu den Offshore-Anleihemärkten die Offshore-Finanzierung von Bauträgern für einen längeren Zeitraum unrentabel macht.

Aktive Anleger sollten sich daher auf Emittenten konzentrieren, die in der Lage sind, eine längere Phase der Volatilität zu überstehen. In der Regel bedeutet dies, dass sie Zugang zu anderen Liquiditätsquellen haben oder qualitativ hochwertige Vermögenswerte besitzen, die notfalls veräußert werden können. Anleger sollten auch nach möglichen Chancen bei Anleihen Ausschau halten, deren Kurse eingebrochen sind.

Fokus auf Klimawandel und andere ESG-Risiken

Der Klimawandel und andere ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Risiken (ESG-Risiken) sind seit einiger Zeit ebenfalls ein wichtiges Thema für Anleger. Anleger, die Anleihen kaufen möchten, mit denen sie einen Beitrag zu einer besseren, nachhaltigeren Welt leisten, können sich zunächst mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen mit ESG verbundenen Anleihestrukturen auseinandersetzen. Doch die ESG-Risiken werden mit dem Kauf grüner Anleihen nicht einfach so verschwinden.

Die Manager müssen die ESG-Faktoren gründlich in die Anleiheanalysen und Investitionsprozesse einbeziehen, um sowohl die Risiken als auch die Chancen vollständig erfassen und steuern zu können. Sogar für Anleger, die diesen Aspekt nicht vorrangig behandeln, dürfte die Einbeziehung der ESG-Faktoren in den Investitionsprozess von Vorteil sein. Von Umweltkatastrophen bis hin zu günstigeren Finanzierungsbedingungen haben ESG-Faktoren Auswirkungen auf das Ergebnis aller Anleihenemittenten.

Letztendlich ist es schwer, etwas zu steuern, das man nicht messen kann. Deshalb haben wir eine fundierte zukunftsgerichtete Methode zur Messung der CO2-Bilanz Ihres Anleiheportfolios entwickelt.

Technologie für sich nutzen

Die meisten Anleger denken nicht viel über die Managementtechnologien nach. Das sollten sie aber. Moderne Technologien können Anleihemanager dabei unterstützen, die Gesamtheit des Anleihenmarktes in Echtzeit zu scannen, sie können mögliche Handelsgeschäfte empfehlen, Handelsgeschäfte innerhalb von Sekunden zusammenstellen und dabei helfen, ein neues Portfolio schneller zu investieren.

Vor drei Jahren dauerte es im Durchschnitt 35 Tage, bis ein neues Kredit- oder Emerging-Market-Anleiheportfolio zu 90% investiert war. Heute kann dies in der Hälfte der Zeit erreicht werden – sofern der Anleihemanager die Vorteile des technologischen Wandels zu nutzen weiß. Und jeder zusätzliche Tag, den diese Vermögenswerte investiert sind, führt zu einem höheren Zinsertrag.

Letztlich sind dieHändler dank modernster Technik fähig, aus der riesigen Menge an Informationen zu Tausenden von gleichzeitig gehandelten Anleihen Chancen und Liquiditätsquellen herauszusuchen – und das sogar, wenn die Märkte fragmentiert und volatil sind. Im Gegensatz dazu werden Anleihemanager, die sich mit dieser Technologie nicht auskennen, in der postpandemischen Welt schnell ins Hintertreffen geraten.

Ruhig bleiben und weitermachen

Das postpandemische Umfeld wird von vielen Veränderungen geprägt sein. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken und ins Abseits drängen. Durch einige umsichtige Anpassungen können Anleger und Anleihemanager in Zeiten der Unsicherheit gelassen bleiben, sich auf die Inflation, steigende Zinsen und den Klimawandel vorbereiten und ihre Portfolios so ausrichten, dass diese sich auch in der Welt nach der Pandemie weiter positiv entwickeln.

Scott DiMaggio und Gershon Distenfeld sind Co-Heads of Fixed Income bei AB.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.

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