Das erste Halbjahr 2019 an den Finanzmärkten war positiv. Werden die guten Zeiten anhalten? Das wird unserer Meinung nach davon abhängen, ob die Lockerung der Geldpolitik weiterhin ein wirksames Mittel zur Konjunkturstimulation sein wird.

Zu Jahresbeginn bereiteten sich die Märkte auf eine straffere Politik der Federal Reserve (Fed) vor, die die Zinsen seit 2015 bereits neunmal erhöht hatte. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte gerade die quantitative Lockerung beendet, was viele als Vorbereitung für spätere Zinserhöhungen ansahen.

Da der Handelskonflikt zwischen den USA und China die globalen Wachstumsaussichten belastete, sanken die Renditen von Staatsanleihen und die Inflationserwartungen. Teile der Zinskurven in den USA und Japan invertierten, was typischerweise ein Vorbote von Rezessionen ist, und die deutsche Zinskurve verflachte auf ein historisches Tief. Die Zentralbanken wurden daraufhin rücksichtsvoller, sowohl die Fed als auch die EZB signalisierten Zinssenkungen (und im Falle der EZB die Wiederaufnahme der Anlagenkäufe).

Die Preise der Risikoaktiva hingegen deuten darauf hin, dass die Weltwirtschaft eine vorübergehende Geschwindigkeitsschwelle erreicht hat, nicht jedoch die starke Verlangsamung, die die Renditen von Staatsanleihen suggerieren. Die Spreads in den USA und Europa haben sich eingeengt, die Schwellenländeranleihen haben sich erholt und der S&P 500 Index erreichte ein Rekordhoch.

In der zweiten Jahreshälfte 2019 werden die Anleger sich entscheiden müssen, welchem Signal sie folgen sollen.

Zentralbanken als Retter in der Not?

Für eine Bestätigung der hohen Kurse der Risikoaktiva benötigen wir Beweise dafür, dass eine lockerere Geldpolitik in den großen Volkswirtschaften das globale Wachstum beleben oder zumindest eine Rezession verhindern kann. Das gilt insbesondere für die USA, wo sich der Kreditzyklus in einem späten Stadium befindet.

Wir sind vorsichtig optimistisch. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass sich die globale Konjunktur verlangsamt und eine Rezession vermieden wird. Unserer Meinung nach sollten Fed-Zinssenkungen von 75 bis 100 Basispunkten in den nächsten sechs bis neun Monaten ausreichen, um das US-Wachstum zu stabilisieren und die Zinskurve etwas steiler zu gestalten. Wir gehen davon aus, dass die geld- und fiskalpolitischen Impulse in China Ähnliches erreichen werden. Das sollte eine gute Nachricht für Risikoaktiva sein und die Renditen von Staatsanleihen wahrscheinlich etwas ansteigen lassen.

In Europa ist die Situation etwas anders. Die hohe Exportabhängigkeit und begrenzte politische Flexibilität macht viele Länder Europas anfälliger für einen globalen Konjunkturabschwung. Zinssenkungen und Aktivakaufprogramme sollten dazu beitragen, die Rezession abzuwehren und zu verhindern, dass die Anleihenrenditen steigen, obwohl wir bezweifeln, dass sie die Inflation wesentlich erhöhen werden. Doch falls die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Regierungen davon überzeugen kann, fiskalische Impulse zu ergreifen, würde sich unser Ausblick verbessern.

Bei der Geldpolitik besteht jedoch das Risiko, dass deren Effizienz sinkt. In der Vergangenheit war eine gesunde Wirtschaft mit annähernder Vollbeschäftigung Grund genug für die Anhebung der Zinsen, um Inflation vorzubeugen. Sobald sich das Wachstum verlangsamt hatte, würden Zinssenkungen neue Kreditschöpfungen auslösen, die dazu beitragen, die Geschäftstätigkeit wieder zu beleben und das Wachstum wieder anzukurbeln.

Heute jedoch besteht diese Korrelation zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation nicht mehr, die US-Wirtschaft ist ein Paradebeispiel dafür. Und die massive globale Kreditvergabe in den letzten zehn Jahren bei niedrigen Zinsen wirft Fragen auf, wie stimulierend eine weitere Runde von Zinssenkungen sein würde.

Weitere zu beachtende Risiken

Neben der Geldpolitik bestehen weitere geopolitische Risiken, die wir genau überwachen. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie seine Auswirkungen auf Unternehmen und handelsabhängige Volkswirtschaften weltweit steht oben auf der Liste. Der Waffenstillstand ist bestenfalls brüchig und könnte rasch in einen breiten, mehrjährigen Konflikt zwischen beiden Ländern ausarten. Auch Europa könnte wieder ins Visier der USA geraten.

Sollte der Waffenstillstand halten, würde das stützend auf die globalen Finanzkurse und das Wachstum wirken.

Aber wenn sich die Feindseligkeiten wieder verschärfen, könnten sie die chinesische Wirtschaft sowie die Wirtschaft Deutschlands und der gesamten Eurozone, die von den Handelskrisen besonders hart getroffen wurde, schädigen. Ein solches Szenario würde den Druck auf die Fed erhöhen, die Zinsen aggressiver zu senken, aus Angst, dass ein langsameres Wachstum im Ausland auch der US-Wirtschaft schaden könnte.

Der Brexit sollte auch auf dem Radar der Investoren sein, insbesondere wegen des neuen britischen Premierministers Boris Johnson, der zu Protokoll gab, dass er bereit wäre, das Land am 31. Oktober ohne Abkommen aus der EU zu führen. Unsere Volkswirte befürchten, dass ein „No-Deal-Brexit“ der britischen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen und zu Störungen an den Finanzmärkten führen könnte.

Ein weiteres Risiko ist die Illiquidität. Wenn die globalen Zinsen so niedrig sind wie heute, gehen viele Anleger auf der Jagd nach Renditen höhere Risiken ein, als ratsam wäre. Das kann in Vermögenswerte drängen, die schwer zu verkaufen sind, ohne einen großen Verlust hinnehmen zu müssen. Eine gute Faustregel: Seien Sie vorsichtig bei Strategien, die tägliche Liquidität versprechen (die Fähigkeit, am Ende eines jeden Handelstages Anteile zu kaufen oder zu verkaufen), aber die in relativ illiquide Vermögenswerte investieren.

Wie soll man die aktuellen Märkte meistern?

Angesichts der Unsicherheit an den Märkten dürfte die zweite Jahreshälfte unruhiger werden. Das bedeutet nicht, dass Anleihenanleger aussteigen sollten. Bei derart niedrigen Zinsen ist ein Engagement in wachstumssensiblen Anlagen mit angemessenem Ertragspotenzial unerlässlich. Aber die Abwärtsrisiken für das globale Wachstum machen es ebenso wichtig, mit Rücksicht auf das Bonitäts- und Liquiditätsrisiko nicht zu hoch auf die Renditeleiter zu steigen.

Für europäische Anleger könnte es ratsam sein, heimatnah zu investieren, anstatt nach scheinbar höheren Renditen in anderen Kontinenten zu suchen. Insbesondere die Kosten für die Absicherung von US-Investments in Euro bleiben so hoch, dass die Renditevorteile davon fast vollständig aufgefressen werden.

Die gute Nachricht ist, dass sich europäische Anleihen in einer Art „Sweet Spot“ befinden. Einerseits ist die bevorstehende Rückkehr der quantitativen Lockerung durch die EZB ein deutliches Plus für Risikoaktiva. Wir sehen Chancen bei europäischen Bankanleihen, einschließlich nachrangiger Papiere, die attraktive Renditen und solide Fundamentaldaten bieten. Und wir erwarten, dass die Risikoaktiva im Allgemeinen einen zusätzlichen Schub erhalten, wenn die Fiskalpolitik der Eurozone noch vor Jahresende expansiv wird.

Andererseits dürften das schleppende Wachstum im Euroraum und die nachlassenden globalen Wachstumsrisiken verhindern, dass sich die Renditen von Staatsanleihen zu stark in beide Richtungen bewegen. Infolgedessen sollten diese Vermögenswerte weiterhin einen sinnvollen Ausgleich für Risikoaktiva bieten, falls die globalen Märkte in eine schwierige Phase geraten. Gleichzeitig dürften viele Staatsanleihen sogar von der quantitativen Lockerung profitieren. So gibt es beispielsweise bei italienischen Staatsanleihen viel Spielraum für sinkende Renditen und steigende Kurse.

Wohlgemerkt: Die Anleihenrenditen sind erstaunlich niedrig. Rund 27 % der globalen Staatsanleihen und 51 % der europäischen Staatsanleihen werden heute mit negativen Renditen gehandelt. Niedrige Renditen müssen aber nicht gleichbedeutend sein mit niedrigen Gesamterträgen. Die meisten Zinskurven in Europa sind nach wie vor steil und bieten die Möglichkeit, vom „Rolleffekt“ zu profitieren. Wenn Anleger Anleihen an einem steilen Punkt entlang der Kurve kaufen, erfahren die Anleihen im Laufe der Zeit einen Kursanstieg und sinkende Renditen oder „rollen“ die Zinskurve hinunter, vorausgesetzt, die Kurve bleibt gleichförmig.

Unter diesen Bedingungen denken wir, dass Anleger ein dynamisch verwaltetes, benchmarkunabhängiges Portfolio in Betracht ziehen sollten, das sowohl Unternehmens- als auch Staatsanleihen berücksichtigt. Wir haben festgestellt, dass ein solcher Ansatz nicht nur ein höheres Renditepotenzial als ein herkömmlicher indexnaher Ansatz bieten kann, sondern auch ein geringeres Risiko bei vergleichbarer Volatilität.

Außerhalb der Eurozone erscheinen US-Wohnhypothekenanleihen, die nach wie vor vom starken US-Verbrauchersektor profitieren (und weniger anfällig für Handelsspannungen sind), attraktiv, ebenso wie ausgewählte gewerbliche Hypothekenanleihen.

Bleiben Sie aktiv und wählerisch

Man kann die Tatsache nicht wegdiskutieren, dass erhebliche Unsicherheit herrscht. Signifikante Risiken, nicht nur in Wirtschaft und Politik, müssen von den Anlegern bewältigt werden. Bleiben Sie aktiv und behalten Sie selektiv Engagements im Einkommensbereich (hohe Umlaufrenditen) bei. Das ist unserer Überzeugung nach der beste Weg, mit dem anspruchsvollen globalen Marktumfeld umzugehen.

Douglas J. Peebles ist Chief Investment Officer of Fixed Income bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.

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