Seit der Invasion vom 24. Februar wurde die Volatilität von drei Faktoren bestimmt. Erstens stieg die Risikoaversion, da die Anleger durch den ersten großen Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und die sich zuspitzende humanitäre Tragödie schockiert waren. Die Angst vor einem direkten militärischen Konflikt zwischen Russland und den NATO-Ländern wuchs – und die erschreckende Aussicht auf einen nuklearen Schlagabtausch.
Zweitens führten die strengen Sanktionen gegen Russland dazu, dass russische Aktien aus den MSCI-Indizes entfernt wurden. Drittens machte sich der Konflikt auf den Märkten durch Unterbrechungen der russischen und ukrainischen Exporte von Rohstoffen wie Öl, Gas und Weizen bemerkbar. Dadurch entstand die beunruhigende Aussicht auf eine Stagflation – eine schmerzhafte Kombination aus stagnierendem Wachstum und steigenden Preisen. Bedenken hinsichtlich der Lieferketten, die von der COVID-19-Situation in China ausgingen, verstärkten diese Risiken noch.
Die Inflation wird hartnäckig sein
Bereits Anfang 2022 brauten sich inflationäre Kräfte zusammen. Populistische Tendenzen, vom Brexit in Großbritannien bis zum Handelskrieg zwischen den USA und China, veranlassten Länder und Unternehmen, ihre globalen Lieferketten zu überdenken. Dann führte die Pandemie zu weitreichenden Lieferunterbrechungen und die Zentralbanken führten eine historisch lockere Geldpolitik ein.
Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat diesen Druck noch verschärft. Selbst wenn einige kriegsbedingte Unterbrechungen behoben werden, suchen Länder und Unternehmen nach neuen Wegen zur Beschaffung wichtiger Inputs, von Öl und Gas bis hin zu Autoteilen, Mikrochips und Lebensmittelzutaten. Die Lokalisierung von Bezugsquellen wird die Preise steigen lassen. Und die Nachfrage nach mehr einheimischen Arbeitskräften wird wahrscheinlich die Löhne weiter in die Höhe treiben. Inzwischen ist klar, dass die Inflation hartnäckig sein wird.
Die Verbraucherpreisinflation in den USA erreichte im Februar eine Jahresrate von 7,9 % und damit ein 40-Jahres-Hoch. In der Eurozone stieg die Inflation im Februar sprunghaft auf 5,8 %. Selbst in Japan, das seit Jahren mit deflationärem Druck kämpft, könnte sich die Verbraucherpreisinflation in diesem Jahr dem Ziel der Zentralbank von 2 % nähern.
Angebotsschock schafft neue Probleme
Da die aktuelle Inflation durch einen Angebotsschock ausgelöst wurde, sind die Herausforderungen ganz anders als bei den Inflationsschüben der jüngeren Vergangenheit. Die Zentralbanken stehen vor einer gewaltigen Aufgabe. In den USA hat die Fed im ersten Quartal mit der Anhebung der Zinsen begonnen und ist zu einer restriktiveren Haltung übergegangen. Auch die Europäische Zentralbank hat ihre Geldpolitik gestrafft, aber die Region ist mit größeren Wachstumsrisiken konfrontiert, da die Verbraucher in einer viel schwächeren Position sind.
Die Steuerung der Inflation bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Wachstums wird sehr schwierig sein. Die vielfältigen Ursachen der heutigen Inflation gehen weit über die traditionellen Engpässe hinaus und umfassen auch geopolitische Spannungen, einen rückläufigen Globalisierungsprozess und sich ändernde Präferenzen der Arbeitskräfte. Es müssen neue Quellen und Lieferketten erschlossen werden, und der traditionelle Ansatz, die Zinsen zu erhöhen, um die Nachfrage zu dämpfen, ist möglicherweise weniger wirksam.
Selbst wenn sich die Inflation abkühlt, wird sie unseres Erachtens wahrscheinlich höher bleiben, als wir es seit vielen Jahren gewohnt sind. In dieser neuen Welt müssen Aktienanleger unserer Meinung nach die Fundamentalanalyse um eine strategische Sichtweise der Inflationstendenzen ergänzen. Dazu gehört es, die Beziehung zwischen Inflation, Gewinnen und Erträgen zu verstehen, die Mikroauswirkungen auf Branchen und Unternehmen herauszufinden und Anlagekriterien entsprechend verschiedener Portfolio-Philosophien und -Prozesse zu entwickeln.
Vom Gewinnwachstum zur Profitabilitätskontraktion
Bei moderater Inflation wachsen die Gewinne in der Regel schneller als die Preise. Unsere Untersuchungen zeigen, dass US-Unternehmen bei einer Inflation zwischen 2 % und 4 % pro Jahr seit 1965 ein reales Gewinnwachstum von etwa 8,8 % pro Jahr erzielten. Wir haben ähnliche Trends für globale Unternehmen über einen kürzeren Zeitraum beobachtet.
Doch können die Unternehmen das Gewinnwachstum unter den gegenwärtigen Bedingungen aufrechterhalten? Messungen der Profitabilität weisen auf die Schwierigkeiten hin. Heute sind die Nettogewinnspannen weltweit extrem hoch (Abbildung), was bedeutet, dass die Profitabilität reif für eine Trendwende ist. Die Kombination aus hohen Margen, verlangsamtem Wachstum und Druck auf die Inputkosten wird unserer Ansicht nach die Profitabilität vieler Unternehmen unter Druck setzen. Die Anleger müssen Unternehmen finden, die ihre Margen auch unter diesen Bedingungen aufrechterhalten können.