Europäische Anleihen: Bleiben Baranlagen nach der Zinswende dominant?

19. Februar 2024
3 min read

Anleger, die zu lange in Barmitteln investiert bleiben, gehen vielleicht leer aus.

Ein herausforderndes wirtschaftliches Umfeld in Kombination mit historisch hohen Bargeldrenditen hat dafür gesorgt, dass zahlreiche Anleger risikoarme liquide Anlagen, beispielsweise Geldmarktfonds, bevorzugen (Abbildung).

Die Jagd der Euro-Anleger auf Baranlagen
Anlagen in europäischen Geldmarktfonds sind so beliebt wie noch nie
Die Jagd der Euro-Anleger auf Baranlagen

Aktuelle und historische Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Stand: 31. Dezember 2023
Quelle: Morningstar

Wir sind der Auffassung, dass sich die Risikolage für Euro-Anleger gerade verändert. Falls Sie zu den vielen Anlegern gehören, die dabei tatenlos zusehen: Jetzt ist es an der Zeit, zu handeln. Dies sind die Gründe dafür:

Aufgrund der nachlassenden Inflation im Euroraum dürften Zinssenkungen die Anleihenkurse in die Höhe treiben und die Bargeldrenditen verringern. Anleger, die mutig genug sind, jetzt den Einstieg in festverzinsliche Anlagen zu wagen, werden weiterhin hohe laufende Erträge generieren und vielleicht auch in den Genuss von Veräußerungsgewinnen kommen.

Unsere Analyse – auf Grundlage einer viele Jahre umfassenden US-Datenhistorie – zeigt, dass es tendenziell zu Kapitalabflüssen aus Geldmarktfonds kommt, wenn die Zentralbank eine Lockerung der Geldpolitik einleitet. Davon ausgehend dürften sich unserer Ansicht nach die Kapitalströme am Eurogeldmarkt bald umkehren, da Kapital in die Anleihenmärkte umverteilt wird. In Anbetracht der äußerst hohen Summen, um die es dabei geht, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Anleihenkurse haben.

Timing ist entscheidend, wenn man nicht leer ausgehen möchte

Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert auf Zinssenkungen zu und hat angedeutet, dass die Senkung der Zinssätze im Sommer beginnen könnte. Der Marktkonsens deutet darauf hin, dass es bereits im April Kürzungen geben könnte. Das Timing ist von Bedeutung, denn in der Vergangenheit kam es bereits vor einer ersten Zinssenkung zu einem Anstieg der Anleihenkurse. Die Anleger, die früh handelten, fuhren die größten Gewinne ein (Abbildung). Zurückhaltende Anleger mit Investitionen in Bareinlagen oder Geldmarkfonds, die die Zinsänderungen abwarteten, konnten nicht von den frühen Gewinnen profitieren.

Der frühe Vogel erzielt die größten Erträge
Durchschnittliche 12-Monats-Erträge (in Prozent)
Der frühe Vogel erzielt die größten Erträge

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Durchschnittliche 12-Monats-Forward-Erträge des Bloomberg Euro Aggregate Treasury 5–7 Year Index für die sechs Monate vor und sechs Monate nach den historischen Zinssenkungen beginnend am 11. Mai 2001, 12. November 2008 und 9. November 2011
Stand: 31. Dezember 2023
Quelle: Morningstar und AB (AllianceBernstein)

Unserer Auffassung nach sollten Anleger versuchen, dem EZB-Beschluss einer ersten Zinssenkung zuvorzukommen. Das bedeutet, das jetzt Umschichtungen angebracht sind. 

Bargeldrenditen werden voraussichtlich schrumpfen

Unterdessen dürften Anleger, die weiterhin in Geldmarktfonds investiert bleiben, einen progressiven Rückgang ihrer Renditen erleben, mit dem Ergebnis, dass annualisierte Erträge geringer ausfallen, als sie angesichts der ursprünglichen Bargeldrenditen erwartet hatten. Auch wenn die genaue Zinsentwicklung bei Bareinlagen schwer vorhersehbar ist, ist der Trend deutlich: Es geht nach unten (Abbildung).

Sinkende Zinsen bedeuten geringere Erträge aus Barmitteln
Am Markt eingepreiste EZB-Zinsen
Sinkende Zinsen bedeuten geringere Erträge aus Barmitteln

Die aktuelle Analyse stellt keine Garantie für zukünftige Ergebnisse dar.
Stand: 5. Februar 2024
Quelle: Bloomberg

Obwohl Geldmarktfonds derzeit attraktive Anfangsrenditen bieten können, handelt es sich bei ihren Basiswerten um kurzfristige Anlagen, und mit jeder Zinssenkung müssen die Erlöse bei Fälligkeit dieser Wertpapiere zu niedrigeren Zinsen reinvestiert werden. Durch eine Umschichtung in längerfristige festverzinsliche Anlagen können Anleger entsprechend ihren gewählten Anleihelaufzeiten dieses Wiederanlagerisiko aufschieben.

Die Renditen mögen überraschen, doch Asymmetrie begünstigt Anleiheinhaber

In einer von Unruhen geprägten Welt ist es wichtig, die Abwärtsrisiken zu berücksichtigen. Die geopolitische Lage ist weiterhin besorgniserregend, und globale Konflikte könnten einen Inflationsschock auslösen, der die Zinsaussichten verändern würde. Die Inflation bei Dienstleistungen und die damit verbundenen Lohnsteigerungen in der Privatwirtschaft erweisen sich als hartnäckig; sie könnten den politischen Entscheidungsträgern weiterhin Probleme bereiten und für Aufwärtsdruck bei den Zinsen sorgen. Dennoch sind wir der Ansicht, dass die potenziellen Abwärtsrisiken bei den Anleihenkursen durch die gegenwärtig hohen Anleiherenditen gut kompensiert werden. 

Unserer Analyse zufolge bieten die aktuellen Renditen einen ausreichend großen Puffer, um die Auswirkungen eines möglichen Zinsanstiegs von 1% weitgehend auszugleichen. Gleichzeitig sorgen sie im Falle einer voraussichtlichen Zinssenkung von 1% für hohe einstellige Gewinne (Abbildung). Trotz der weiterhin bestehenden Risiken begünstigt diese Ergebnisasymmetrie die Inhaber von Anleihen.

Die derzeit hohen Anfangsrenditen tragen dazu bei, die Auswirkungen von potenziellen Zinsanhebungen abzufedern
Vereinfachte Szenarioanalyse: Potenzielle 12-Monats-Erträge (in Prozent)
Die derzeit hohen Anfangsrenditen tragen dazu bei, die Auswirkungen von potenziellen Zinsanhebungen abzufedern

Die aktuelle Analyse stellt keine Garantie für zukünftige Ergebnisse dar.
Die vereinfachte Analyse legt die gegenwärtigen Anfangsrenditen und Laufzeiten der Indizes, eine parallel verlaufende Entwicklung der Renditekurven und unveränderte Kreditspreads zugrunde.
Verwendete Indizes: Bloomberg Pan-European High Yield, Bloomberg Euro Aggregate Corporate, Bloomberg Euro Aggregate Total Return
Stand: 31. Januar 2024
Quelle: Barclays, Bloomberg und AB

Der Zeitpunkt ist entscheidend

Euro-Anleihen bieten derzeit im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit sehr hohe Renditen, die erhebliches Potenzial nach unten haben und attraktive Zuwächse generieren können. Die angeschlagenen Volkswirtschaften der Euroländer können derweil die gegenwärtig hohen Zinssätze nicht auf unbestimmte Zeit tolerieren. Die Frage ist letztlich nicht, ob ein Ausstieg aus Baranlagen sinnvoll ist, sondern wann er es ist.

Anleger können mit anhaltender Volatilität rechnen, da die Renditen in den kommenden Monaten nach unten tendieren. Allerdings können sich Anleger, die angesichts eines voraussichtlichen Nachfrageanstiegs nach Anleihen und einer erwarteten Erosion der Bargeldrenditen jetzt handeln, für hohe potenzielle Erträge positionieren. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, auf festverzinsliche Anlagen umzusteigen, auch wenn Baranlagen in der Vergangenheit die Welt regiert haben. 

Der Autor dankt Fixed Income Product Manager Vishali Thakker für ihren wertvollen Beitrag zu dieser Arbeit.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.